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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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Berton. Ist das wirklich
Ihre Brosche?“
    „Ja!“
    „Sehen Sie mal genau hin.“
    Stattdessen sah sie mir lange ins Gesicht,
forschend, erstaunt. „Was... Was wollen Sie damit sagen?“
    „Das hier ist eine Imitation. Blech
und Glas. Gute Arbeit, aber eben nicht echt.“
    „Aber... aber... das ist doch nicht
möglich!“
    „Sehen Sie genau hin“, wiederholte
ich.
    Sie drehte die Brosche hin und her.
    „Sie haben wohl recht“, sagte sie
schließlich tonlos.
    Die Imitation färbte ab. Madame Ailots Augen bekamen einen metallenen Glanz.
    „Unglaublich“, sagte sie ungläubig.
„Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Sicher, ich habe nie behauptet,
daß meine Brosche ein Einzelstück ist. Wenn Sie diese hier woanders gefunden
hätten... aber so... Das ist jedenfalls nicht meine Brosche. Meinen Sie, daß
geschickte Fälscher...“
    „Geschickt und schnell, hm?
Ausgeschlossen ist das nicht. Mir kommt da ‘ne Idee. Warum sollte das nicht ein
Trick von Bénech & Co. sein? Sie fertigen Kopien von dem Schmuck an,
den sie klauen. So fällt der Diebstahl erst mal nicht auf. Bei Ihnen ist es
anders gelaufen. Darum ist die Möglichkeit nicht weniger... äh... unmöglich.
Auch für das Opfer wäre ein Austausch weniger brutal...“
    „Ja, so könnte es sein“, stimmte mir
Madame Ailot bereitwillig zu, die Brosche in der Hand, die Augen auf der
Brosche.
    Ich seufzte. Verwirrung und Nervosität
schalteten jede Kritikfähigkeit bei ihr aus. Alle Erklärungen waren ihr recht.
Sie akzeptierte alle Möglichkeiten, widerspruchslos. Nahm folgsam alle
Standpunkte ein. Eine große Hilfe war sie mir nicht, die reiche Dame. Solche
Diskussionen bringen kein Licht ins Dunkel. Wenn man die eigenen Fragen
beantwortet und nur ein Kopfnicken erntet, kommt man nicht weiter. Dann kann
man auch gleich allein überlegen. Vorausgesetzt, daß Überlegen hier überhaupt
was nützte. Warum also zog ich vor der Frau meine Gedankenschau ab? Um „ja“ zu
hören, „ja“ und immer nur „ja“? Ich stand auf.
    „ Werd versuchen, den Gaunern das Handwerk zu legen, bevor sie Ihren gesamten Schmuck
kopiert und die echten Stücke verscherbelt haben. Versuchen, hab ich gesagt.
Das kann lange dauern. Länger, als wir dachten.“
    „Zeit spielt jetzt keine Rolle mehr“,
sagte sie schaudernd. „Nach all dem, was passiert ist...“
    „ Werd mich
trotzdem beeilen.“
    „Vielen Dank.“
    Ich räusperte mich.
    „Möchten Sie gar nicht wissen, warum
ein Austausch angenehmer für das Opfer wäre als der brutale Diebstahl?“ fragte
ich. Sie sah mich an wie ein gehetztes Wild.
    „Ach ja... Warum?“ stammelte sie. „Ich
hab Sie nicht gleich verstanden. Mir dreht sich alles im Kopf.“
    „Na ja, da Sie mich jetzt besser
verstehen, will ich Ihnen noch eine Frage stellen. Eine unwichtige. Die reine
Neugier. Nur um zu wissen, wie weit Sie mir vertrauen. Sagen Sie, Madame, Yves
Bénech war doch mehr als Ihr Chauffeur, nicht wahr?“
    Sie schien erleichtert, daß ich dieses
Thema ansprach. Aber sie antwortete nicht direkt, sondern fing an zu heulen.
    „Sie sind ein Ungeheuer, Monsieur
Burma. Warum quälen Sie mich? Bin ich nicht schon so gestraft genug? Mit diesem
Mann hat das Unglück begonnen…“
    „Ich bin kein Moralapostel, Madame.
Würde mir nie erlauben, Sie zu verurteilen. Von Moral verstehe ich nichts.
Vorurteile kenne ich nicht. Auch wenn’s so aussieht, kümmere ich mich nicht
viel um Dinge, die mich nichts angehen. Ich wollte es nur wissen. Ja oder
nein?“
    Sie hob ihr tränennasses Gesicht.
    „Ja“, hauchte sie.
    „Danke. Guten Abend, Madame.“
    „Einen Moment noch...“
    Sie stand auf, trat zu mir und krallte
sich in meinen Arm. Ihr Parfüm nebelte mich ein, vermischt mit ihrem
Schweißgeruch.
    „Ich wollte den Schmuck wiederhaben,
bevor mein Mann von seiner Geschäftsreise zurückkommt. Er sollte nichts merken...
Das wäre erst in einer Woche gewesen. Aber jetzt mußte ich ihm telegrafieren,
nach dem, was vorgefallen ist... Er wird morgen oder übermorgen hier sein. Er
ist ein schrecklicher Mensch, ein Tyrann. Wenn mir etwas zustoßen sollte...“
    „Von mir wird er nichts erfahren,
Madame“, beruhigte ich sie. Sollte mich wundern, wenn er nicht schon über alles Bescheid wußte. Aber das war sein Bier. Oder ihres.
„Ich habe Ihnen die letzte Frage nur zu meiner Information gestellt. Und wenn
Sie ihm den Diebstahl ein paar Tage verheimlichen könnten... Vielleicht gelingt’s mir ja, den Schmuck zu beschaffen,

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