Das stille Gold der alten Dame
bemerkte ich, wär sein Hotel noch viel berühmter, aber er
hätte weniger zu lachen. Er mußte mir zustimmen, grinste aber weiter. Einer,
der sich abknallen läßt, und dann noch ein Privatdetektiv, kein Geringerer als
Nestor Burma...! Kurz und gut, er lud mich zum Abendessen ein. Falls ich nicht
schon anderweitig... Er war alleine und langweilte sich wohl. Nicht alle Tage
kann man einen Gast meines Kalibers präsentieren. Monsieur Champloit sah ziemlich gesprächig aus. Vielleicht konnte er mir einiges über Yves Bénech
verraten.
„Ich muß nur noch schnell anrufen“,
sagte ich.
Ich suchte im Telefonbuch die Nummer
des Bistros an der Chaussée de La Muette .
„Monsieur René, bitte“, sagte ich in
die Muschel.
„Der ist nicht hier, M’sieur .“
Wir konnten zu Tisch gehen.
„Sie werden sehen, Joséphine ist eine
ausgezeichnete Köchin“, versprach er mir.
„Moment!“ rief ich lachend. „Joséphine
bereitet also das Essen zu? Sind Sie sicher, daß die Kleine kein Arsen
reinmischt?“
„Warum, zum Teufel, sollte sie...“
„Weil sie mich anscheinend nicht
riechen kann.“
Ich erklärte ihm, warum ich das
glaubte.
„Ja, ja“, brummte er, als wir am Tisch
saßen. Er reichte mir das Salz und machte sich über seine Radieschen her. „Ich
wußte, daß die beiden hin und wieder mal... Kein Kind von Traurigkeit, dieser
Bénech, hm? Hier Joséphine, dort die reiche Tante samt Nichte... Genau der Typ,
der seine Chefin aufs Kreuz legt, was?“
„Sie kannten ihn besser als ich.
Vielleicht erzählen Sie mir mal was von ihm, Monsieur Champloit .“
Und er erzählte. Erzählte und
erzählte. Geschichtchen und Anekdötchen. Unwichtiges Zeug. Nichts, was mir
weiterhelfen konnte. Nichts über eventuelle Verbindungen, nichts über
Schmuckhandel oder andere krumme Dinger. Alles in allem konnte der patron nicht kapieren, wie seinem Mieter so was
passiert war. Sicher, ein Großkotz sei er ja gewesen,
reichlich selbstsicher und arrogant, aber im ganzen doch ein ruhiger Vertreter. Allerdings sei er nicht ständig hiergewesen .
Monsieur Champloit vergoß eine Krokodilsträne für diesen Gast, der ‘ne Stange Geld
für ein Zimmer hinlegte, in dem er nur ab und zu wohnte. „Und... hatte er oft
Besuch?“ fragte ich vorsichtig.
„Tja... eigentlich... An seinen freien
Tagen hat er lieber hier gepennt als bei seinen Arbeitgebern. Und hin und
wieder... bevor das mit Joséphine losging... hat er Frauen mit aufs Zimmer
genommen. Der Kerl hatte anscheinend wirklich alle Hände voll zu tun.“
„Auch manchmal mit Männern?“
„Also, das denn doch nicht, M’sieur .“
„Das meinte ich auch gar nicht. Keine
Männerbesuche also?“
„Nein.“
Wir aßen weiter, schweigend bis auf
die Kaugeräusche. Dann kam Champloit wieder auf die
vielen Frauen zurück:
„Der mit seinen Frauengeschichten! Hat
sich einfach abknallen lassen, so mittendrin? Das hätte ich gerne gesehen, ‘ne
Freistil-Orgie, oder was?“
„Römische Orgie nennt man so was wohl.
Hört sich kultivierter an. Hab selbst nie dran teilgenommen. Damals war ich
noch zu jung für so was. Aber die in der Rue Berton hatte noch gar nicht
angefangen. Das Mädchen lief zwar halb nackt rum, aber Bénech hatte noch nicht
mal seinen Trenchcoat ausgezogen.“
„Vielleicht ‘ne besonders aufregende
Nummer“, sagte der patron schwärmerisch.
Plötzlich lachte er los: „Ich bin gut! Quatsche und quatsche und vergesse ganz,
Sie zu fragen, was Sie in dem Haus überhaupt gesucht haben. Aus den Zeitungen
wird man nicht schlau...“
„Gesucht hab ich nichts“, sagte ich
lächelnd. „War einfach da. Ich bin immer nur einfach da. Geh immer dem Stern
hinterher.“
„Dem Stern? Oh, ich wollte nicht
indiskret sein, M’sieur Burma. A propos Stern...“
Er holte eine Flasche mit drei
Sternen, und wir tranken ein paar Gläschen. Ich sah auf meine Uhr: viertel nach
neun.
„Danke für die Einladung“, sagte ich.
„Das Arsen spürt man kaum. Haben Sie vielleicht eine Garage für mich? Möchte
meine Kiste nicht die ganze Zeit im Kalten stehenlassen...“
„Ich zeig Ihnen, wo Sie ihren Wagen
abstellen können.“
Wir gingen hinaus. Der drohende
Wolkenbruch hatte sich woanders entladen. Die Nacht war mild. Eine schöne laue
Frühlingsnacht kündigte sich an. Das Bistro an der Ecke gegenüber leuchtete uns
entgegen. Die gemütlichen Geräusche von Spielautomaten und Flippern drangen zu
uns. Auf dem Bürgersteig erzählten sich junge Leute laut lachend
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