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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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ihre
Geschichten. Frühlingsgeschichten, bei denen man erst lacht und dann weint. Der patron zeigte mir einen Schuppen im Innenhof,
auf den man durch ein Gäßchen zwischen seinem und dem
Nachbarhaus gelangte. Als wir wieder zurückkamen, rannten wir beinahe einen
Mann über den Haufen, der auf die Linie 52 wartete und sich die Beine vertrat.
    „Die Tür vor dem Schuppen ist massiv“,
sagte der dicke Champloit . „Ihr Wagen ist da drin
bestimmt besser aufgehoben als auf der Straße, M’sieur Burma.“
    „Glaub ich auch. Hol ihn sofort. Er
steht in der Rue Berton.“ Von dort aus war ich zu Fuß gegangen. Wenn ich meine
Beine bewege, kann ich besser nachdenken. Auch wenn sie müde sind. „Hoffentlich
steht er da noch“, sagte ich.
    „Warum denn nicht? Das ist doch ein
ruhiges Viertel hier.“
    „Am Ende glaub ich das noch.“
    Champloit lachte glucksend.
    „Jedenfalls im allgemeinen.“
     
    * * *
     
    Mein Dugat war nicht von der Stelle bewegt worden. Ich fuhr in die Chaussée de La Muette . Vielleicht hatte ich um diese Zeit mehr
Glück mit Fledermäusen. Und wirklich: die Glatze des fetten René leuchete schon von weitem im Neonlicht des Bistros.
Zusammen mit drei anderen Männern spielte er belote . Einer von ihnen sah aus wie Bénech, nur lebendiger. Ich setzte mich an einen
kleinen Tisch und wartete die Runde ab. Sie dauerte nicht lange. Die vier
Männer mußten wohl schon ‘ne ganze Weile gespielt haben. Monsieur René trank
sein Glas leer, stand auf und verschwand auf der Toilette. Ich ging hinterher.
Als wir alleine in einem schmalen Gang waren, sprach ich ihn an:
    „Monsieur René?“
    „Ja.“
    „Ich suche Arbeit...“
    „Nicht heute abend .
Tut mir leid.“
    Von seinem früheren Beruf als Butler
hatte er seine höflichen Manieren beibehalten. Auch seine Stimme war
unterwürfig, verschlagen, klebrig, hinterhältig.
    „Hier ist trotzdem meine Karte“, sagte
ich.
    Er warf einen flüchtigen Blick auf die
Visitenkarte, die ich ihm aufdrängte. Sein Froschmund verzog sich leicht, es
bildete sich ein zweites Doppelkinn.
    „Können Sie was mit meinem Namen
anfangen?“ fragte ich. „Muß man das?“
    „Wenn Sie den Crépu lesen oder Radio hören, ja. Und mein Beruf? Schon mal was von einem Privatflic gehört?“
    Die Froschmaske fiel.
    „Ich möchte Ihnen mal was sagen“,
schnauzte der Fledermaus-Frosch. „ Privatflics sind
mir...“
    „Vorsicht!“ warnte ich ihn. „Der Letzte,
der so was in der Richtung gesagt hat, ist ‘n paar Stunden später gestorben.“
    „So gefährlich sind Sie, M’sieur ?“
    „Überhaupt nicht. Aber hinter mir
steht des Teufels Großmutter... oder besser, seine Tante. Ich hab den Kerl
nicht getötet, aber tot ist er trotzdem. Bénech heißt er, wenn Ihnen der Name
was sagt.“
    „Das alte Arschloch“, schimpfte die
Fledermaus ohne den Respekt, den man Toten schuldet.
    „Wir sollten uns darüber unterhalten“,
schlug ich vor. „Nicht hier. Und im Bistro hören viele zu. Vielleicht in meinem
Wagen.“ Er schien nachzudenken, dann knurrte er:
    „Ich glaub, man kann Sie nur
loswerden, wenn man Ihnen was vors Maul haut.“
    „Selbst das funktioniert nicht immer.“
    „Hatte ich auch nicht vor. Ist nicht
meine Art. Ich arbeite mehr im Verborgenen.“
    „Weiß ich. Heimlich, still und leise.
In Samt und Seide, in raschelnden Laken.“
    „Hm...“
    „Also, gehn wir?“
    „O.k. Ich weiß zwar nicht, was Sie von
mir wollen, aber... Wenn Sie mir Angst einjagen wollen, müssen Sie früher
aufstehen. Sie scheinen ja viel Zeit zu haben; sonst würden Sie damit nicht so
verschwenderisch umgehen.“
    Im Bistro verabschiedete er sich von
seinen Freunden, dann gingen wir zu meinem Dugat . Ich
fuhr los. Er lachte.
    „Was ist da so lustig dran?“
erkundigte ich mich.
    „Alles. Sie vergeuden nicht nur Ihre
Zeit, sondern auch noch Benzin. Und das völlig nutzlos.“
    „Abwarten. Fahren wir in den Bois de Boulogne ?“
    „Hm...“, brummte mein Beifahrer.
„Nicht daß man uns noch für zwei sittenlose alte Damen mit lockerer Moral
hält...“
    „So kurzsichtig sind Voyeure nun auch
wieder nicht.“
    Wir fuhren durch den Jardin du Ranelagh .
    „Funktioniert das immer noch?“ fragte
ich.
    „Was?“
    „Der Trick mit den motorisierten
Nutten, den parfümierten Seepferdchen. Die Wagen fahren im Schrittempo ,
geräuschlos glänzend, anmutig unauffällig. Stoppen neben dem einsamen
Spaziergänger. Vielleicht hat er ja genug von seiner Einsamkeit? Und

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