Das stille Gold der alten Dame
bevor’s brenzlig wird. An mir soll’s nicht liegen. Bis
jetzt war ich noch nicht sehr nützlich. Nur die Knallerei Ihrer Nichte, die hab
ich miterlebt. Nicht sehr nützlich, wie gesagt. Reicht noch nicht mal für’n Steak.“
Ich ließ ihr die Brosche da. Sollte
sie sich damit amüsieren...
* * *
Es hatte sechs geschlagen. 18 Uhr,
nach offizieller Schreibweise. Zeit für den Aperitif. Ich trank ihn dort, wo
ich Bénechs Busenfreund zu treffen hoffte: im Bistro
an der Chaussée de La Muette .
Das Büro für spezielle Arbeitsvermittlung, die völlig unpolitische Gewerkschaft
arbeitsloser Chauffeure. Die dicke Fledermaus war die Spur, von der ich Madame
Ailot erzählt hatte. Leider war der Kerl nicht im Bistro. Vielleicht schon auf
der Flucht. Der Kellner konnte mir nur sagen, daß er René hieß. Monsieur René
nannte er ihn. Viel war das nicht. Na schön, ich würde wiederkommen. Mit dem
Dicken hatte ich also kein Glück. Dann wollte ich’s mit der nackten Frau
versuchen. War mir auch sympathischer. Lieber Glück bei ‘ner nackten Frau als
bei ‘ner dicken Fledermaus.
Durch die Avenue Mozart fuhr ich zu
der Straße mit dem schönen Namen: Rue Jasmin. Es war sehr einfach
herauszufinden, aus welchem Haus in der letzten Woche eine völlig nackte Frau
gefallen war und wie die Frau hieß. So was passiert schließlich nicht alle
Tage, auch nicht in der Rue Jasmin. Die erstbeste Concierge konnte mir
erschöpfend Auskunft geben. Die Schlafwandlerin hatte Madame Klette geheißen,
eine schöne Frau von dreißig Jahren. Und tatsächlich Schlafwandlerin. Nun hatte
ich von Schlafwandlern gehört, daß sie ohne Zwischenfall wieder in ihr Bett
zurückfinden, wenn man sie nicht aufweckt. Irgendwie hatte ich allerdings das
Gefühl, daß Madame Klette nicht die richtige Spur war. Ich ließ mich nur von
meiner Eingebung leiten. Diesmal war Florimond Faroux
schuld, daß ich alles in einen Topf warf. Ich beschloß, meinen Mitarbeiter
Roger Zavatter damit zu beauftragen, den Fenstersturz
genau zu recherchieren. Nur um mein Gewissen zu beruhigen. Denn ich machte mir
keine Illusionen: hier war nicht viel zu holen für mich.
Der Himmel bedeckte sich. Es sah nach
Regen aus. Ich ging ins Hotel zurück, um den Mantel zu holen, den mir Hélène
gebracht hatte. Außerdem wollte ich Faroux anrufen. In meinem Zimmer war ich
ungestörter als in einer Telefonkabine.
In der Hotelhalle lief das Radio.
„Der Reporter hat gesagt, es kommt um
halb acht“, sagte der patron . „Sie
haben die Reportage schon angekündigt. Wollen Sie sich im Radio hören?
Angeblich soll man seine eigene Stimme nicht wiedererkennen...“
„Und jetzt: Nachrichten des Tages“,
kam es aus dem Lautsprechen „Unser Reporter Maurice Lemay hat ein interessantes Interview über den Mord in der Rue Berton geführt.“
„Ja, Maurice Siegel“, hörte man Lemay , ebenfalls Maurice mit Vornamen. „Ich habe mit dem
Privatdetektiv Nestor Burma gesprochen.“
„Dann wollen wir uns das mal anhören.“
„Ich stehe“, sagte die Stimme des
Reporters, „im Büro des Hôtel de l’Assomption in der Rue de Boulainvilliers . Hier wohnte der
Privatchauffeur Yves Bénech, der...“ usw. usw.
„...Und hier wohnt auch der berühmte
Privatdetektiv Nestor Burma. Vor mir steht der Hotelbesitzer, Monsieur Champloit . Monsieur Champloit ,
würden Sie unseren Hörern bitte...“
Es folgte ein kurzes Frage- und
Antwortspiel.
„Herrlich!“ rief der Dicke vor mir.
„Man erkennt seine Stimme tatsächlich nicht. Sprech ich wirklich so?“
„Noch schlimmer“, sagte ich.
„Und jetzt Monsieur Burma persönlich,
der dynamische Detektiv“, kam es wieder über den Sender. „Begleitet von einer
charmanten jungen Frau. Mademoiselle Hélène, seine
Sekretärin.“
Ich hörte mich mein Märchen erzählen.
Dann schaltete sich wieder Maurice Siegel ein:
„Vielen Dank, Monsieur Burma. Vielen
Dank, Monsieur Champloit . Vielen Dank, Maurice Lemay . Und nun noch eine letzte Meldung, die uns soeben
erreichte: Die Mörderin, Mademoiselle Marie-Chantal
Suzanne V., hat ein Geständnis abgelegt...“
Ich ging in mein Zimmer hinauf und
holte meinen Mantel. Florimond Faroux brauchte ich
jetzt nicht mehr anzurufen.
* * *
In der Hotelhalle erwartete mich der patron , bis zu den Ohren grinsend. Sein
Laden sei jetzt richtig berühmt, was? Zeitungen, Radio, alle hätten darüber
berichtet. So was aber auch! Läßt sich ein Mieter einfach abknallen! Wenn das
hier passiert wär,
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