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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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eine
einschmeichelnde Stimme säuselt: ,Entschuldigen Sie,
Monsieur! Könnten sie mir vielleicht sagen…’ Und wenn du durch das
Seitenfenster in das halbdunkle Wageninnere siehst, erblickst du ein paar
nackte Beine, die aus einem Hauch von Nylon kommen, oder es springt dir eine
unverschämte nackte Brust ins Gesicht wie ein junger verspielter Hund.“
    „Sie reden wie mein letzter
Arbeitgeber, der Dichter.“
    „Man kann nicht immer
,Scheiße’ sagen. Auf die Dauer gilt man sonst als schlecht erzogen.“
    Wir fuhren über die Avenue Ingres. Aus
vielen geöffneten Fenstern der hochherrschaftlichen Häuser fiel helles Licht
auf die Bäume.
    „Und, funktioniert das noch immer?“
wiederholte ich meine Frage.
    „Warum soll das nicht mehr
funktionieren?“ fragte er seufzend zurück. „Ein angenehmes Geschäft, bei dem
alle auf ihre Kosten kommen. Ambulante Liebesnester oder gemütlichere Séparées.
Je nach Geschmack und Geldbeutel.“
    „Sie scheinen sich ja bestens
auszukennen“, lachte ich anerkennend.
    „Schließlich komm ich nicht aus der
Provinz.“
    „Ich auch nicht.“
    Ich überquerte den Boulevard Suchet,
die Avenue du Maréchal-Maunoury . Über die Route des Lacs fuhr ich in den Bois de Boulogne .
Die entgegenkommenden Autos blinkten manchmal auf. Vielleicht ein Zeichen...
    „Und der andere Trick?“
    „Welcher?“
    „Ihrer. Die Masche in Samt und Seide,
mit Satin und raschelnden Laken. Der Trick zur Abwechslung von Dienstmädchen-Bettgeschichten.“
    Ich bog in den Chemin de Ceinture ein.
    „Hören Sie, M’sieur “,
sagte die Fledermaus ruhig. „Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, wie
gesagt. Und mir ist das auch egal. Hab Ihnen schon verraten, daß Sie mir keine
Angst einjagen können. Darum brauch ich auch weder was zu gestehen noch
abzustreiten. Sie scheinen ja bestens informiert. Nur eins: Die Polizei,
richtig oder privat, ist nicht die Hüterin der Tugend unserer Chefinnen, soweit
ich weiß. In ihrem Privatleben haben Schnüffler nichts zu suchen. Deswegen
vergeuden Sie unnötig Ihre Zeit, ich sag’s Ihnen noch mal. Ich habe keine — wie
nennt man das noch? — strafbare Handlung begangen.“
    „Sie streiten also nichts ab?“
    „Warum sollte ich?“
    „Darf ich Ihnen trotzdem ein paar
Fragen stellen?“
    „So viele Sie wollen.“
    „Mir reicht erst mal eine. Warum haben
Sie Bénech eben als Arschloch bezeichnet?“
    „Weil er eins ist. Ein dämliches
Arschloch. Wenn man — wie er — im Bett der Chefin gelandet ist, macht man sich
nicht auch noch an die Tochter des Hauses ran. Das gehört sich nicht.“
    „Ihrer Meinung nach hat er also das
bekommen, was er verdiente?“
    „Ja.“
    Nach einer Schweigeminute fragte ich:
    „Läuft das Geschäft gut?“
    „Sie sind wirklich neugierig“, sagte
er beleidigt.
    „Aber, aber, Monsieur René! Wo Sie doch
nichts zu befürchten haben...“
    „Also gut. Die Stellen, die ich
vermittle, werden im allgemeinen gut bezahlt. Und die
Leute, denen ich sie vermittle, bringen mir ‘ne Kleinigkeit ein.“
    „Genug zum Leben?“
    „Nein. Hab noch was anderes.“
    „Und genau dieses andere interessiert
mich.“
    Er mußte lachen. Ein erfrischendes,
offenes und aufrichtiges Lachen. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut.
    „Ich bedaure nicht, mit Ihnen gefahren
zu sein“, sagte er nach seinem Heiterkeitsausbruch. „Sie reden amüsantes Zeug . Unverständlich, aber amüsant. Oder sollen
Sie im Auftrag des Finanzamtes rauskriegen, wieviel ich verdiene?“
    „Ich frage im Ernst. Was ist das
andere?“
    „Einer meiner früheren Arbeitgeber,
der Dichter, hat mir aus Dankbarkeit für meine ergebenen Dienste bei seinem Tod
eine beachtliche Summe hinterlassen. Ich bin ein genügsamer Mensch. Das Erbe
und meine kleinen Provisionen...“
    „Mit anderen Worten: Die
Arbeitsvermittlung betreiben Sie aus reinem Spaß an der Freude? Ehrenhalber,
wenn ich so sagen darf?“
    „Waren sie jemals Kammerdiener,
Monsieur?“
    Seine Stimme klang seltsam. Sie hatte
sich so verändert, daß ich mich zu ihm drehte, weil ich dachte, neben mir säße
jemand anders. Nein, neben mir saß immer noch die dicke, fette Fledermaus. Sein
Gesicht hatte einen undefinierbaren Ausdruck angenommen.
    „Ich hatte viele Berufe, aber
Kammerdiener war nicht darunter“, antwortete ich.
    „ Ich war Kammerdiener.“ Seine neue Stimme
klang dumpf. „Lange. Hab nichts anderes gemacht. Hab ganz früh damit
angefangen. Für die Herrschaft ist ein Kammerdiener kein Mensch. Er ist

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