Das stille Gold der alten Dame
in mein Zimmer hinauf und
rief Zavatter an. Er berichtete mir über seine
Unterhaltung mit dem Concierge in der Avenue Henri-Martin. Aber inzwischen
kannte ich das alles schon. Dann erwähnte er den Namen Masuy .
„Ja, Masuy “,
sagte ich, „mit seiner Wanne. Kennen Sie die Geschichte?“
„Ist doch allgemein bekannt.“
„Hab das Gefühl, daß wir ein wichtiges
Detail übersehen.“
„Ach!“
„Sie gehen gleich morgen früh in die Bibliothèque Nationale oder zum Crépu , ganz wie Sie wollen. Informieren Sie
sich über Masuys Prozeß. Der Kerl ist 1947
hingerichtet worden. Oberst Rémy hat zwei oder drei Bücher über den Fall
geschrieben.“
„In Ordnung.“
Ich wünschte ihm eine gute Nacht, und
wir legten auf. Dann zündete ich mir eine Pfeife an, setzte mich aufs Bett und
dachte nach. Das Telefonläuten schreckte mich auf.
„Hallo.“
„Hallo. Nestor Burma?“
Meine Hand krampfte sich um den Hörer.
Das Wunder!
„Ja.“
„Hier Lozère .
Roger Lozère .“
„Hab Deine Stimme gleich erkannt.“
„Ach ja? Egal... Wollte Ihnen sagen...
Sie hatten recht, neulich. Ich wollte über die Kleine reden. Sie ist
unschuldig. Hat niemanden umgebracht. Also
Plötzlich änderte sich der Tonfall:
„Ja, Alter. Heiße Tips diesmal, hm? Also... Morgen, wie immer zwischen dem zweiten und dem dritten
Rennen, an der Tribüne, neben den Wettschaltern. O.K.“
Er legte auf. Ich auch, später, sehr viel
später, wie mir schien. Ich nahm meine Pfeife wieder in den Mund und zog
ausgiebig an ihr. Roger Lasserre alias Lozère . Falscher Journalist, aber echter Einbrecher und
Zuhälter. Wohl auch ein ganz Schlauer, in seiner Art. Ob ein großes oder
kleines Schwein, würde sich bald rausstellen. Er war zu mir ins Hotel gekommen,
um das Terrain zu sondieren, hatte mich mit interessanten Informationen
gelockt, mich dann aber ausgetrickst. Und er war auch an dem Mord an dem Juden
Rosembaum beteiligt gewesen. Schien ganz schön dick in der Patsche zu sitzen.
Und der Privatflic sollte ihm da raushelfen, gegen
vertrauliche Informationen über den Mord in der Rue Berton. „Sie ist
unschuldig!“ Der Ton ließ keinen Zweifel an der Aussage. Klang völlig
aufrichtig. Lasserre hatte es mit ‘ner Art gequälter
Erleichterung in die Muschel gebrüllt. Schade, daß seine Freunde ins Zimmer
getreten waren und er nicht weiterreden konnte. Schade. Aber immerhin hatte er
sich mit mir verabredet, vor den Augen und Ohren seiner Komplizen. Mal sehen,
ob er zu der Verabredung kommen würde.
Ich nahm die Abendzeitung, die ich vor
dem Restaurant gekauft hatte, und schlug die Seite mit den Turfnachrichten auf. Morgen: Rennen in Auteuil . Gut. Ein Pferd im
dritten Rennen, Prix Balagny , hieß Die
Unschuldige. Würde ‘n paar Francs auf sie setzen. Hoffentlich würde sie
gewinnen und Suzanne Glück bringen! Unschuldig! Mir sollte es mehr als recht
sein. Aber ich hatte sie doch gesehen, den Revolver in der Hand... Und
geschossen hatte sie auch auf mich!
Ich versetzte mich wieder in die
Situation zurück. Rue Berton, der Garten, das Zimmer, die Personen... Das
kleinste Detail konnte wichtig sein.
Ich klopfte meine Pfeife aus, stopfte
sie sofort wieder und zündete sie an. Ich gähnte, reckte und streckte mich.
„ Werd mir
den Laden noch mal näher ansehen“, sagte ich zum Telefon und schnappte mir
meinen Hut.
* * *
Die Rue Berton war immer noch so
menschenleer, schmal, schlecht gepflastert, kurz: immer noch so pittoresk. Nur
eine Veränderung bemerkte ich: Die beiden Laternen waren repariert worden und
erstrahlten im Glanz ihrer neuen Birnen. Im Garten der türkischen Botschaft
rauschte der Wind in den Bäumen.
Das Gartentor des Totenhauses war
verschlossen. Hatte ich auch nicht anders erwartet. Nach kurzem Zögern bearbeitete
ich das Schloß mit meinem Dosenöffner-Pfeifenreiniger. Eine verbogene Haarnadel
hätte es aber auch getan.
Ich schloß das Gartentor hinter mir
und ging über den Kiesweg zum Häuschen. Wie bei meinem ersten Besuch hier
stolperte ich wieder über diese hinterhältige Stufe und hätte mich fast auf die
Nase gelegt. Fluchend half ich mir über das Mißgeschick hinweg. Ich warf einen ängstlichen Blick zum Haus. Wenn alles wieder so war wie
bei meinem ersten Besuch, würde ich da drin auch wieder ‘ne Leiche finden. Das
Haus lag wieder dunkel, still und friedlich da. Aber ich werde bezahlt, um mich
vom Schein nicht täuschen zu lassen. Ich drehte den Türknopf der Haustür. Die
Tür öffnete
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