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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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sich ohne weiteres. Derselbe abgestandene Geruch empfing mich...
mit einer Variante: Parfüm. Ich sah nach oben. In der ersten Etage brannte
Licht. Ein gelbliches Licht, das sich über die oberen Stufen der Eichentreppe
ergoß. Wie bei meinem ersten Besuch holte ich meine Kanone raus und ging
hinauf. Langsam diesmal. Ich trat in das bekannte Zimmer mit dem Sofa und...
war erleichtert. Keine Leiche auf dem Teppich! Niemand schoß auf mich! Immerhin
etwas. Auf Zehenspitzen näherte ich mich dem Vorhang, der die Verbindungstür
verdeckte, und schob ihn zur Seite. Die Tür stand weit offen.
    Sie stand mit dem Rücken zu mir, über
ein Tischchen gebeugt. Sie trug einen beigen Regenmantel, Sportschuhe und
Söckchen. Das schwache Licht der staubigen Deckenlampe spielte mit ihrem
bläulichen Haar. Ich steckte meinen Revolver wieder ein.
    „Entschuldigen Sie“, sagte ich und
hüstelte.
    Sie fuhr hoch, stieß einen Schrei aus
und wirbelte herum. Ihr Gesicht war entstellt vor Erregung und Entsetzen. Ich
konnte jetzt das Tischchen sehen. Inmitten von Einwickelpapier glänzten zwei
Perlenketten, mehrere Ringe und Ohrgehänge.
     
    * * *
     
    „Entschuldigen Sie“, wiederholte ich
und trat näher.
    Sie legte die Hand auf ihre Brust.
    „Gott sei Dank! Sie sind’s!“ sagte sie
erleichtert. „Haben Sie mir einen Schrecken eingejagt!“
    Ihre Knie zitterten. Ich schob ihr
einen Stuhl hin. Sie setzte sich. Ich ließ die Perlenketten durch meine Finger
gleiten.
    „Sind... Sind Sie mir gefolgt?“ fragte
Madame Ailot.
    „Nein. Wollte nur was überprüfen. Was
genau, weiß ich nicht. Heute abend hab ich ‘ne
Information gekriegt...“
    Ich zeigte auf die Steine.
    „Hat man sie Ihnen zurückgegeben?“
    „Ich... Ich habe Ihren Rat befolgt.“
    „Meinen Rat?“
    „Rat ist nicht das richtige Wort. Eher
eine Vermutung. Sie haben gesagt, daß Célestin den Schmuck vielleicht hier
versteckt hat.“
    „Ja, aber geglaubt hab ich’s selbst
nicht so recht .“
    „Ich hab nachgedacht, und da ist mir
die Standuhr eingefallen. Nicht sofort, nein! Aber dann bin ich sofort hierher
gefahren.“
    „Die Standuhr?“
    „Der untere Teil besteht aus zwei
Fächern. Eins ist sichtbar, das zweite... na ja, nicht unsichtbar... Sagen wir:
geheim. Eigentlich nur ein doppelter Boden. Ich hab mir gedacht, daß Célestin
vielleicht davon gewußt hat... Na ja, jedenfalls hab ich meinen Schmuck in
diesem Geheimfach gefunden...“
    Ich ging zu der Standuhr, deren Pendel
schon seit Jahren Stillstand. Wie Madame Ailot gesagt hatte, war das Geheimfach
nicht besonders geheim. Aber meistens sind die weniger raffinierten Verstecke
die besten. Trotzdem bemerkenswert, daß die Flics ...
Ach was, die Flics hatten ihre Leiche gefunden. Und
die Mörderin. Was wollten sie mehr? Schließlich hatten sie gar keinen Schmuck
gesucht. Und ich war auch nicht auf die Idee gekommen, in der Uhr
nachzusehen...
    „Na schön“, sagte ich müde. „Dann ist
mein Auftrag wohl hiermit erledigt. Ich hoffe, niemand erzählt Ihnen demnächst
was über den geschickten Nestor Burma. Hat sich nicht gerade mit Ruhm
bekleckert, der dynamische Meisterdedektiv .“ Madame
Ailot sagte nichts.
    „Wir sollten ins Nebenzimmer gehen“,
schlug ich vor. „Dort ist das Licht besser.“
    „In dieses... dieses furcht...
furchtbare Zimmer“, stammelte sie.
    „Ach, jetzt ist das ein ganz
gewöhnliches Zimmer.“
    Ich brachte den Schmuck samt
Einwickelpapier in das Zimmer, in dem vor kurzem eine Tragödie stattgefunden
hatte. Madame Ailot kam brav hinterher, setzte sich in einen Sessel. Ich legte
den Schmuck auf den massiven Tisch und sah mir die Klunker Stück für Stück an.
    „Alles da?“ fragte ich.
    „Ja.“
    „Soll wohl. Bei dem Wert...“
    „Wie bitte?“
    „Ich bin kein Experte, Madame, aber
ich glaube, ich täusche mich nicht. Der Schmuck hier ist täuschend unecht.“
    Sie sah mich wortlos an. Ihre Augen
füllten sich mit Tränen. Mit größter Anstrengung kreischte sie:
    „Ihr Auftrag ist erledigt. Das haben
Sie selbst gesagt. Sie... Das geht Sie jetzt nichts mehr an.“
    „O.k.“, sagte ich leise. „Aber meine
Aufträge sind erst dann richtig erledigt, wenn nichts mehr im Dunkeln liegt.
Sonst geistern noch Hintergedanken im Hinterkopf des Privatflics herum... Sie müssen mir alles erzählen, Madame. Wußten Sie, daß der Schmuck
nicht echt ist?“
    „Ja.“
    „Seit wann?“
    „Seit ich den echten verkauft und ihn
durch unechten ersetzt habe...“
    Sie knetete ihre

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