Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)
wir es sind, was uns zu doppelter Vorsicht gemahnen sollte.
Die einfache Methode des Zurückhaltens der Ejakulation (in Verbindung mit der Methode des »Emporziehens«) wird von manchen Autoren nicht nur als förderlich für die sexuelle Aktivität und Kraft betrachtet, sondern auch als Heilmittel gegen den Wahn, die Erfüllung der sexuellen Begegnung im genitalen Orgasmus zu sehen. Dieser Wahn verstellt den Blick dafür, dass Sexualität ein Teil der umfassenden Erotik und ein Mittel der Kommunikation ist; reduziert auf Triebbefriedigung, bleibt wenig Menschliches mehr übrig. Eine genaue Untersuchung der eigenen grundlegenden Haltung der Sexualität gegenüber sollte die Basis jeglicher Beschäftigung mit sexueller Energiearbeit sein. Die Schwere, Dumpfheit, tierhafte Getriebenheit und unkreative Plumpheit, mit der viele westliche Menschen – vor allem Männer – ihre Sexualität leben, lässt sich nicht allein mit »Techniken« auflösen.
Wer sich mit dem »Hüten des Jing« (siehe S. 233) versuchen möchte, sollte auf jeden Fall den inneren Frieden (im »Buch des einfachen Mädchens« als Produkt des »vierten Zurückhaltens« genannt) an erste Stelle setzen, denn nur daraus erwächst liebevolle Zuwendung.
Die meisten modernen Autoren von Büchern über Qi Gong beziehungsweise taoistische Energiearbeit warnen mehr oder weniger nachdrücklich vor komplizierteren sexuellen Energieübungen, sei es im Hinblick auf die Gefahr, dass die Lust zum Endzweck wird, oder auf mögliche Folgen für die Gesundheit. Letztere betrachtet der Arzt Chang als besonders bedenklich: »Der bewusste Eingriff in den natürlichen Energiefluss kann zu Schizophrenie, Hirnschäden und anderen Krankheiten führen. Derartige Katastrophen bezeichnen die Taoisten als Zerfall durch böses Qi. Ich selbst habe im Osten wie im Westen viele solche Fälle beobachtet.« [142]
All dem ist zu entnehmen, dass die Übungen der »wechselseitigen Kultivierung« (die hier nicht ausgeführt werden), wenn überhaupt, nur im Rahmen der Einbettung in eine authentische, umfassende spirituelle Disziplin und nur unter der Anleitung eines autorisierten Lehrmeisters vorgenommen werden sollten.
Ist die Sexualität negativ besetzt, spielt sie eine allzu wichtige Rolle zur Kompensation von Frustration, oder manifestiert sie sich in Mustern von Fehlverhalten (wie zwanghaftes sexuelles Bedürfnis, Neigung zu Pornographie, sexueller Sadismus oder Masochismus, Fetischismus o.Ä.), so ist Energiearbeit nicht das richtige Heilmittel; hier ist eine erfolgreiche Therapie [143] die Vorbedingung für weitere Entwicklungsmöglichkeiten.
Unproblematischer sind die körperlichen Übungen zur Pflege des Jing, die medizinisch-therapeutisch ausgerichtet sind und als Ergänzung zu den grundlegenden Übungen des Yi Qi Gong dienen können. Dazu gehören vor allem die »Hirschübungen«.
Die Hirschübung für die Frau berücksichtigt im Besonderen den weiblichen Organismus – eine Rarität in der taoistischen Überlieferung. In der Inneren Kunst spielten Übungen zur Beendigung oder Unterbrechung des Menstruationszyklus eine große Rolle, denn die Menstruation galt als Qi-Räuber. [144] Da sie selten erwähnt werden, sei die Version für die Frau anschließend angeführt.
Hirschübung für die Frau
Durch die weibliche Hirschübung wird die Östrogenproduktion angeregt und damit – solange die Übung täglich wiederholt wird – die Menstruation möglicherweise verhindert (»Zurückdrängen des Blutes«). Wird die Übung abgesetzt, stellt sich der Zyklus wieder ein.
Nach taoistischer Erfahrung stärkt und harmonisiert diese Übung das gesamte Urogenitalsystem und gilt als besonders wirkungsvolle Schönheitspflege für die Haut und die Figur. Sie war in der Vergangenheit wohl ein natürliches Mittel zur Geburtenregelung, und angeblich verlaufen Schwangerschaften nach einer längeren Zeit der vorangegangenen Hirsch-Praxis besonders unkompliziert (während der Schwangerschaft darf diese Übung jedoch nicht praktiziert werden).
Erster Übungsteil
• Mit beiden Händen werden die Brüste von oben nach außen und unter Kreisen massiert (mindestens 36-mal, maximal 360-mal). Die Hände liegen dabei so auf den Brüsten, dass die Brustwarzen nicht bedeckt sind. Diese Übung sollte zweimal täglich vorgenommen werden.
• Setzt die Menstruation aus, wird die Übung mit etwa 100 kreisenden Bewegungen zweimal täglich fortgesetzt. Wird die Übung ausgesetzt, stellt sich
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