Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)
bedeutet »Öffnung«, und »Tal« bezieht sich auf »Leere«. Auf der körperlichen Ebene befindet sich der Geist des Tales im Lebenstor (Mingmen) … Das Mingmen kontrolliert die Bewegung der Zeugungsenergie im Unteren Dantian. Auf der spirituellen Ebene ist der Geist des Tales das Bewusstsein, das leer ist von Empfindungen, Emotionen und Gedanken.
Den Prozess des Aufsteigens der Energie zum darüberliegenden Kreis nennt man »Die Umwandlung der Zeugungsenergie in Dampf« [177] . Während des alchimistischen Prozesses wird die Zeugungsenergie, die Form hat, gereinigt und in eine weniger greifbare Form von Energie verwandelt, die man als Dampf bezeichnet. Der nächste Prozess ist die Verwandlung von Dampf in spirituelle Energie (Ling Qi). Der weltliche Atem wird in spirituelle Energie verwandelt. Ling Qi ist formlos und kann zu den inneren Organen und in alle Bereiche des Körpers gelenkt werden. Wenn der Körper mit dieser Energie gefüllt ist, so nennt man diesen Zustand »Die fünf Arten des Dampfes versammeln sich im Ursprung«. [178]
Abb. 29:
Das Diagramm des Wuji
Auf der nächsten Stufe wird der Geist-Gott (Yuan Shen) empfangen und geboren und bringt den alchimistischen Prozess zur Vollendung. Dies ist das Wuji, der oberste Kreis, der den Ursprung, die Quelle, das Tao darstellt. Diese letzte Stufe nennt man »Die Kultivierung des Geist-Gottes, um zur Leere zurückzukehren«. [179]
Die Autorin Eva Wong, eine moderne taoistische Adeptin, berichtet über ihre Ausbildung bei ihrem in den USA lebenden Tao-Meister:
Als ich Herrn Moy Lin-shin zum ersten Mal begegnete, wusste ich, dass er der Lehrer war, nach dem ich gesucht hatte, obwohl er nicht wie ein taoistischer Meister »aussah«. Tatsächlich behauptete er auch nie, einer zu sein. Als ich bei meinem Si Fu [Meister] zu lernen begann, sprach er nicht über Taoismus, ganz zu schweigen von Innerer Alchimie. Selbst nachdem ich in den taoistischen Tempel, den er mitbegründet hatte, initiiert worden war, bestand der größte Teil dessen, was er mich lehrte, aus Techniken der »Veränderung der Sehnen« sowie Taiji und Yi-chuan-Unterweisungen zur Verbesserung meiner Gesundheit. Erst als ich Zeichen des »äußeren Glühens« des Körpers zeigte, begann er, mich die Kultivierung der Stille des Geistes zu lehren. Er erklärte, dass ich durch die Auflösung der Begierde – mittels der Hilfe für andere – meinen Geist »zähmen« und so die nächste Stufe der Ausbildung erreichen würde. Zugleich begann er, mir formale Unterweisungen in Meditation zu geben.
Wenn ich heute auf sein Verhalten zurückschaue, kann ich erkennen, dass die Art seines Vorgehens der Nördlichen Schule des Taoismus entstammt. Die Nördliche Schule empfahl, die Kultivierung des Körpers der Kultivierung des Geistes vorangehen zu lassen. In der Südlichen Schule hingegen stand die Kultivierung des Geistes an erster Stelle, und dann erst folgte die Kultivierung des Körpers. [180]
Auch heute noch ist es innerhalb der taoistischen Tradition, die Energiearbeit und Meditation umfasst (wobei die Grenze dazwischen fließend ist), ganz selbstverständlich, dass die Schüler unter der Obhut eines autorisierten Lehrers stehen:
Die taoistischen Methoden des langen Lebens umfassen machtvolle Methoden der Arbeit mit der dem Körper innewohnenden Energie. Ohne die Führung durch einen qualifizierten Lehrer können diese Methoden dem Praktizierenden schaden. Außerdem können die Methoden des Sammelns und des Speicherns, der Reinigung und der Aktivierung der inneren Energie von Menschen missbraucht werden, deren Geist nicht frei von Begierde ist. Deshalb wurden die Techniken der Inneren Alchimie von Anfang an ausschließlich durch die Tradition der mündlichen Vermittlung weitergegeben. [181]
Für Eva Wong, die ja nicht modernes Qi Gong im »säkularisierten Gewand« erlernte, sondern es im umfassenden Rahmen eines klassischen spirituellen Entwicklungsweges vermittelt bekam, sind der energetische und der meditative Aspekt des taoistischen Weges untrennbar:
Die alchimistischen Veränderungen, die in dem Text »Das Kultivieren der Stille« [182] und seinem Kommentar beschrieben werden, sind sowohl körperliche als auch psychische Phänomene. Das eine oder andere geringer zu betonen bedeutet, die Essenz der zweifachen Kultivierung von Körper und Geist, die den zentralen Aspekt des taoistischen Denkens darstellt, aus den Augen zu verlieren. Mein eigenes Verständnis vieler
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