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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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française
, als hätten wir noch das Jahr 1772 !« Johanna gab der Uzanne das Fernglas. »Sie blickt zu uns herauf, als würde sie Sie kennen.«
    Livrierte Lakaien löschten die Kerzen der Saalleuchter und drehten die Dochte des Rampenlichts hoch. Das Publikum saß nun im Dunkeln. Die Uzanne betrachtete Madame Sparvs dunkle Gestalt eine ganze Minute lang. »Zweifellos eine alternde französische Emigrantin, die hier Asyl sucht.
Pathétique
«, sagte sie, dann legte sie das Opernglas auf ihren Schoß. »Aber diese alte Frau könnte ein Blick in meine Zukunft sein – die Aristokratie abgeschafft und durch die Herrschaft des Pöbels ersetzt.«
    Der gelöschte Lüster wurde von weißbehandschuhten Händen an dicken goldenen Seilen quietschend an die Decke gezogen. Das Publikum nahm wieder Platz, es tuschelte und kämpfte mit Roben und steifen Mänteln und wartete darauf, dass das Drama begann.
    »Wir können nicht den Maskenball abwarten«, fuhr die Uzanne fort. »Wir müssen in Gävle handeln, wenn Gustav seinen Rat einberuft.«
    »Wie handeln?«, fragte Johanna leise.
    Die Uzanne richtete das Opernglas auf die leere Königsloge. »Die Schlange muss beschworen und sicher weggesperrt werden.«
    »Das kann ich übernehmen«, wisperte Anna Maria.
    Die Uzanne nahm das Opernglas von den Augen und drehte sich zu Anna Maria um. »Das würden Sie tun?«
    »Aber das wissen Sie doch. Mit Vergnügen.«
    »Es wird das Beste sein«, sagte die Uzanne. Sie streckte die Hand aus und berührte Johanna, ihre kalten Finger streiften kaum Johannas Handgelenk. »Haben Sie den Pantherpilz vorbereitet, wie ich es wollte?« Johanna nickte, sie war in der Löwenapotheke gewesen und hatte die getrockneten Pilze zu feinem Pulver gemahlen. »Sehr gut. Und haben Sie ihn ausprobiert?«
    »Noch nicht, Madame.«
    »Das müssen Sie tun.«
    »Wollen Sie … General Pechlin ausschalten?«, fragte Johanna; sie spürte, dass dem nicht so war, hoffte aber, sie würde sich irren.
    »Ich bin so stolz auf Sie, mein Hochlandgewächs!« Die Uzanne lächelte und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Vorhang, der sich für den letzten Akt hob. »Aber das wird nicht nötig sein. Pechlin wird sich erhängen, wenn ich fertig bin.«

Kapitel 33

Baggensgatan
    Quellen: E. L., der Große Hans, Kapitän H.
    Bis auf einen einsamen Nachzügler, der zum Schutz vor einem Schauer beißenden, stechenden Hagels in einem Hauseingang kauerte, war die Kocksgränd verlassen, als ich die Nordéns verließ. Bis zur Baggensgatan wäre es ein trübseliger Marsch von mindestens einer halben Stunde. Ich zog den Schal vors Gesicht und hielt meinen Hut fest. Die Glocken von Sankt Jakob schlugen halb zehn. Ich musste dem einsamen Mann wohl Mut gemacht haben, denn er folgte mir bis zur Brücke, deren Planken glitschig und schwarz über dem Eis glänzten. Ich stemmte mich gegen den Sturm, schloss die Augen und tastete mich am Brückengeländer entlang. Am Kai ging ich um das Schloss herum zum Slottsbacken und zum Königlichen Münzkabinett, dann durch die Bollhusgränd, überquerte den Köpmantorget und bog schließlich in die Baggensgatan ein. Das bekannteste Haus in der engen Gasse sah von außen unauffällig aus: ein nüchternes, gedrungenes dreistöckiges Gebäude von rostigem Orange mit Stuckornamenten und einem braunen Ziegeldach.
    Hier führte Tantchen von Platen ein Etablissement mit den hübschesten Huren ganz Skandinaviens. Die schlichte Holztür hatte einen Klopfer in Form einer Putte, die über ihre Schulter blickt, der runde Hintern gereckt, sodass der Besucher ihn am liebsten packen würde. Das war der einzige Hinweis auf das Paradies, das im Inneren wartete. Ich nahm den Engel, klopfte dreimal fest und wartete. Die Blende des Gucklochs scharrte, als sie zurückgezogen wurde. Ich wurde auf Vermögen, Waffen und Syphilis hin gemustert. Es war zwar noch früh am Abend, und Tantchen würde erst sehr viel später in volle Aktion treten, aber ein gutes Geschäft ließ man sich nicht entgehen, und so schwang die Tür weit auf.
    »Sekretär! Ich hätte Sie fast nicht erkannt. Was ist aus Ihrem rotem Rock geworden?« Überrascht wich ich einen Schritt zurück. Ich war kein Stammgast in den Bordellen, sodass man mich erkennen müsste, und brauchte eine Weile, bis ich diesen Türsteher eingeordnet hatte: Kapitän Hinken lehnte sich aus der Tür und blickte die Straße hinauf und hinunter, dann sprang ihm etwas ins Auge. Ich folgte seinem Blick und sah eine Gestalt in die Tyska

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