Das Stockholm Oktavo
Mund zusammen. »Ich weiß Madames Sorge um mein Wohlbefinden zu schätzen.«
Ganz unten aus dem Korb zog Johanna zwei Glasflaschen, sie waren verkorkt und mit Wachs versiegelt. »Mein Besuch hat mit Ihrem Wohlbefinden nichts zu tun – es geht um Madames Wohlbefinden.«
»Sie hat Medizin geschickt«, sagte ich und hob die blaue Flasche hoch. »Üben Sie für Madame die Heilkunst aus oder schwarze Magie?«
Bei dieser Frage verharrte Johanna in ihrer Bewegung, dann stellte sie die zweite Flasche vorsichtig auf den Tisch. »Ich bin Apothekerin. Wenn Sie meine Anweisungen befolgen, wird es Ihnen wieder gutgehen. In der hellen Flasche ist ein bitteres Tonikum, es wird Ihre Genesung beschleunigen. Den Inhalt der blauen Phiole habe ich auf Bitten der Uzanne hergestellt – er ist köstlich und wohltuend und bedeutet das Ende aller Sorgen. Ich würde Ihnen dringend abraten, davon zu trinken.«
Ich hob die Flasche zu einem Prosit. »Dann werde ich damit beginnen.« Mit einem Messer brach ich das Siegel. Die Flüssigkeit roch nach Honig mit einem Hauch Muskatnuss, vermischt mit feinstem Cognac.
Johanna hielt die Flasche fest, als ich sie an meine Lippen führen wollte. »Sie sind in der Stadt als unbesonnener Wirtshausgänger bekannt. Niemand würde sich wundern, wenn Sie die ganze Flasche tränken. Die Uzanne hat gesagt, das würde keinen scheren.«
Ich lächelte. »Keinen würde es scheren, wenn ich betrunken wäre?«
»Keinen würde es scheren, wenn Sie tot wären.«
Ich stellte die Flasche wieder auf den Tisch und wich zurück. »Wollen Sie sich nicht setzen und zum Kaffee bleiben, Fräulein Blom?« Ich ging zur Tür, öffnete sie und fand Frau Murbeck dahinter. Sie hatte sich so dicht ans Holz gedrückt, dass sie nun fast in die Wohnung hereinfiel.
Sie stellte das Tablett ab und reichte mir einen Brief.
»Der kam gerade von Ihrem Bruder Fredrik«, flüsterte sie. »Und die junge Dame – ist sie es?« Ich schüttelte ungehalten den Kopf und steckte den Brief in die Tasche. Ich stellte die Damen einander schnell vor und wies Frau Murbeck mit einem hastigen Nicken die Tür. Sie zog erschrocken die Augenbrauen hoch, als wäre dies höchst anstößig, und machte sich daran, Kaffee einzuschenken und den Kuchen aufzuschneiden, dabei nickte und lächelte sie Johanna ständig zu. Schließlich zog sie sich auf ihren Horchposten im Treppenhaus zurück, und ich zog die schweren Vorhänge an der Eingangstür vor, damit unser Gespräch nicht nach außen drang.
»Abgesehen von der Nachricht meines Ablebens wollen Sie und Ihre Herrin sicherlich noch etwas anderes.«
Johanna starrte ins Leere. Ich sah, dass sie gelernt hatte, ihre Gefühle gut zu verbergen. »Madame sagt, Sie hätten etwas, das ihr gehört.«
»Meister Fredrik Lind hat ihr die Nachricht überbracht, dass ich ihr diesen Gegenstand bringen werde, sobald es mir wieder gutgeht.«
»Madame wünscht nicht zu warten.«
»Und wie sollten Sie diesen Fächer an sich nehmen, wenn ich mich weigerte, ihn auszuhändigen?«
»Wenn Sie getrunken hätten, wäre es nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Ihre Wohnung ist nicht sehr groß und nicht umfassend möbliert.«
»Dieser Botengang war dumm von Ihnen, Fräulein Blom. Man hätte Ihnen die Schuld an meinem Tod gegeben und Sie ins Gefängnis gesteckt.«
Sie sah mich an, ihr ruhiges Gesicht war unergründlich. »Niemand hätte die Schuld bekommen, Sie hätten sich selbst getötet. Und die Uzanne will mich auf Gullenborg haben, denn ich bin ihr nützlich. Aber irgendwann werde ich gehen müssen.« Sie gab ein Stück Zucker in ihren Kaffee und rührte bedächtig um, in ihrem Schweigen schlug der Löffel laut ans Porzellan.
»Warum sollten Sie ein so schön gemachtes Nest verlassen wollen?«
»Es ist dennoch ein Käfig.« Sie betrachtete ihr graues Spiegelbild und löste ihren Wollschal vom Hals.
»Und was geben Sie, um frei zu sein?«
»Ich habe Ihnen das Leben gerettet, Herr Larsson. Ich glaube, nun bin ich an der Reihe, um einen Gefallen zu erbitten.«
Ich musterte Johanna genau. Ich wollte ihr Gesicht lesen, doch es gelang mir nicht. Ich stand auf und öffnete das Fenster einen Spalt, weil ich dachte, dass ein Schwall kalte Februarluft mir helfen könnte, meine Gedanken zu ordnen. »Ach ja? Und welchen Preis haben Sie festgesetzt?«
Johanna stellte sich neben mich ans Fenster. Sie roch nach Jasmin, ihre Fingerkuppen waren schwach rot verfärbt. Ihr flacher Atem verriet schließlich ihre Nervosität. »Soweit ich
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