Das Stockholm Oktavo
erkranken. Aber die Potenz war garantiert: Der Verzehr von Giftmorcheln war tödlich, ebenso die Inhalation des feinen Staubs. Die Uzanne wäre Versuchsperson und Opfer in einem. »Haben Sie hier im Geschäft welche?«
»Oh, für ein Fräulein wie Sie habe ich doch immer Gyromitra auf Lager! Aber Sie müssen schon mit nach hinten kommen und den Mund weit aufmachen.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf die Tür zum Offizin.
Johanna beugte sich über den Tresen und sah ihm direkt in die Augen. »Meine Eskorte wartet in der Kutsche. Der Mann würde Sie ohne weiteres blutig schlagen, bevor er die Polizei ruft. Und Madame Uzanne würde nur ungern die Apothekerinnung benachrichtigen.«
Der Apotheker setzte wieder eine nüchterne Miene auf und rang betrübt die Hände. »Verzeihen Sie, Fräulein Blom, ich dachte, Sie wären in die Baggensgatan umgezogen – dort landen nämlich die meisten Mädchen, die einmal auf Gullenborg waren. Sagen Sie Madame, ich stehe immer zu ihren Diensten.«
»Geben Sie die Morcheln in einen Tontopf, verschließen Sie ihn gut und bringen Sie ihn unverzüglich nach vorn«, sagte Johanna. »Und dann nehme ich noch eine große Packung Antimon, für den Fall, dass das Untier keine Pilze mag.«
Kapitel 48
Ein gutgefüllter Beutel
Quelle: L. Nordén
»Ich weigere mich einfach, ein Kleid zu tragen!«, sagte Lars. Mit seiner großen Statur begrub er den vergoldeten Stuhl im leeren Geschäft der Nordéns unter sich. Die Fensterläden waren fest geschlossen, nur das Licht einer einzelnen Kerze erhellte den gelbgestreiften Raum. »Ich werde den Mantel eines Sultans tragen, der seinen Harem dazu anhält, die unsäglichsten Dinge zu tun.«
Anna Maria öffnete die Fächerkommode, zog die Schubladen auf und inspizierte die Ware. »Ich habe gehört, dass der venezianische Domino der letzte Schrei sein soll, allein dieses Kostüm kann einem schon Gunst schenken.«
»Ein langweiliges Karnevalskostüm, mein Pfläumchen. Ich ziehe bunte Farben vor.« Er stand auf und drückte sich von hinten an Anna Maria.
»Dann meinst du, ich wäre langweilig?«
»Du bist in jedem Aufzug betörend. Oder in gar keinem«, sagte er.
»Wo ist der letzte grau-silberne Fächer, Lars? Ich habe ihn für mich zurückgelegt.« Während er kurz überlegte, entwand sie sich seinen Zudringlichkeiten. »Hast du ihn verkauft?« Lars bückte sich, um seinen Strumpf glatt zu ziehen. »Oder ihn als Pfand gegeben?«
»Du hattest nicht gesagt, dass du ihn für dich haben wolltest. Ich … ich habe ihn verkauft.«
»An wen?« Sie fuhr mit der Hand durch Lars’ Haar, packte ein Büschel und zog ihn daran hoch. »An deine neue Freundin Fräulein Blom? Hast du ihr
dein
Atelier gezeigt, nachdem ihr in der Löwenapotheke gewesen seid?« Lars wollte sein Gesicht abwenden, aber sie ließ es nicht zu und drückte sich an ihn: »Was hast du mir zu sagen, Lars Nordén?«
Er packte ihre Hand so fest, dass er die zarten Knochen spüren konnte. »Es war doch nur ein Fächer, mein Pfläumchen. Sei nicht so zornig!«
»Bist du nie zornig?«
»Ich neige nicht zum Zorn, meine Süße«, sagte er und bog ihr den Arm auf den Rücken.
»Dann muss ich dir wohl den Nutzen dieser starken Gefühlsregung beibringen.« Sie zog ihn so fest an den Haaren, dass er wimmerte. »Sie bedeutet Macht.«
»Ich ziehe ihr die Macht des Geldes vor«, sagte Lars und drückte Anna Maria an die Wand, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte.
»Schade, dass du keines hast – nicht einmal Mittel, um an Geld zu kommen! Ein Mann mit einem geregelten Einkommen wäre mir lieber, zum Beispiel ein gutbestallter Sekretär.« Sie lächelte und spürte, dass sein Atem schneller ging, so schnell wie der ihre.
»Ich könnte dich überraschen, Fräulein Plomgren – mit meinen Gefühlen und mit meinem Beutel.«
»Dann zeig mir mal deinen Beutel«, sagte sie und zog an seinem Hosenbund, bis die Knöpfe auf den Boden sprangen.
Kapitel 49
Eine schmähliche Vertauschung
Quellen: M. F. L., Frau Lind
»Das ist meine beste Arbeit, Frau Lind. Endlich habe ich ihren wahren Charakter herausgearbeitet«, sagte Meister Fredrik und besah sich selbst im Spiegel.
»O ja, sie sind schön, Freddie, und so frevelhaft!« Frau Lind beugte sich zu ihrem Mann vor, aber ihre Lippen berührten seine makellos gepuderte Wange nicht.
»Danke, meine Liebste.« Eine nach der anderen überprüfte er die Einladungen zum Maskenball: Zeit, Ort, Kostüm, Datum. Vor allem das Datum. »Wie leicht es doch
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