Das Stockholm Oktavo
treten sie ganz sicher als Frauen in Erscheinung.« Die Uzanne stellte sich neben Johanna und besah sich ihr Spiegelbild. »Sie stehen in voller Blüte, Johanna, und werden eine Hauptrolle spielen: Sie sind die unmaskierte Prinzessin, die einen Schritt hinter mir geht. Aber Sie werden nicht mit den Herren, die in Scharen angelaufen kommen, tanzen oder poussieren. Sie werden sich auf einen einzigen Mann konzentrieren.« Die Uzanne steckte eine lose Locke von Johannas Haar hinter deren Ohr. »Sie werden mit dem König zusammentreffen, Fräulein Blom. Und wenn Sie Ihre Sache gut machen, gehört das Kleid Ihnen.«
»Und wo sollte ich es danach tragen?«, fragte Johanna, aus deren Gesicht alle Farbe gewichen war.
Die Uzanne zupfte einen losen Faden aus Johannas Mieder und glättete die Spitze am Ärmel. »Es wird wohl einen neuen Hof geben. Aber zuerst kommt der Maskenball. Gustav wird die Botschaft erhalten, die ich ihm in Gävle zukommen lassen wollte, dieses Mal aber wird sie leidenschaftlicher sein.«
»Was soll das für eine Botschaft sein?«, fragte Lars, der dümmlich aus der Wäsche schaute.
Die Uzanne ging langsam zum Fenster und zurück, dabei öffnete und schloss sie ständig Kassiopeia. »Dass es für wahre Patrioten kein Opfer gibt, das zu groß wäre für die Liebe.« Es wurde still im Raum, nur der Wind rüttelte an den Fensterscheiben. Ein Zucken der Erkenntnis huschte über Anna Marias Gesicht. Sie wurde rot, kniff vor Vergnügen die Augen zusammen. »Fräulein Blom, der Schlitten wird in einer Viertelstunde hier sein. Ziehen Sie wieder Ihre Alltagskleidung an und machen Sie Ihre Besorgungen in der Stadt.« Zu Meister Fredrik sagte die Uzanne: »Herr Lind, in zwei Tagen müssen die Einladungen und Eintrittskarten für den Ball verschickt werden, die Karten für die Nachfeier in einer Woche.«
Meister Fredrik zog die Stirn kraus, verbeugte sich und eilte hinaus. Sein Bündnis mit Johanna würde er nur schwerlich aus der Distanz aufrechterhalten können.
»Herr Nordén, begleiten Sie Fräulein Blom bitte in die Stadt und sorgen Sie dafür, dass sie sicher wieder zurückkommt«, befahl die Uzanne weiter. Beflissen sprang Lars auf und verneigte sich. »Und bringen Sie sie auf direktem Weg in mein Zimmer, sobald Sie zurück sind. Achten Sie außerdem darauf, dass Luisa die Tür absperrt. Ein Stallbursche hat meinen Arzneischank aufgebrochen, und seine Gier hat ihn fast das Leben gekostet. Die Dienerschaft gibt nun Fräulein Blom die Schuld, und die Köchin fordert ihren Kopf auf dem Haublock.« Anna Maria sprang eifrig auf und nahm Lars’ Hand. »Sie, Fräulein Plomgren, bleiben und probieren Ihre Hosen an!«
Anna Maria sank auf den Diwan, reglos wie eine Schlange in der Sonne saß sie da und sah zu, wie Johanna den Raum verließ; die Schleppe ihres Kleides floss dahin wie ein Strom frischgepflückter Frühlingsblumen.
Kapitel 47
Johanna in der Löwengrube II
Quellen: J. Blom, L. Nordén, ein nicht genannter Angestellter der Löwenapotheke
Johanna stand vor dem Verkaufstresen der Löwenapotheke und betrachtete einen staubigen Glasbehälter mit einer glänzenden grünen Flüssigkeit. Der Apotheker kam aus dem Offizin und beäugte sie. »Sie sind richtig aufgeblüht, Fräulein Blom. Die Männer drehen sich nach Ihnen um. Ihre Geschäfte müssen gut gehen.«
Johanna sah ihn an, ihr Gesicht war weiß und ausdruckslos wie Kreide. »Ich brauche ein starkes Sedativum, das ich zu Puder mahlen kann. Das stärkste, das Sie haben.«
»War der Pantherpilz nicht stark genug?«, fragte er. Johanna antwortete nicht. »Puder … Puder … stark …« Der Mann trommelte mit den Fingern auf die Theke, dann hielt er inne und pulte Dreck unter seinem Daumennagel hervor.
»Haben Sie Antimon?«, fragte Johanna. Der Apotheker reagierte nicht – nur Lebensmüde fragten nach diesem Stoff. »Ein Wolf treibt sich auf dem Anwesen herum«, fügte sie hinzu.
»Ein Wolf, so, so? Das kann ich mir vorstellen, meine Liebe.« Er schlug auf die Theke und lachte. »Na, aber ein Wolf würde kein Antimon fressen, es schmeckt viel zu bitter. Doch ich habe gewisse Morcheln, die in einem letzten Eintopf gut schmecken.«
»Sie meinen Gyromitra?« Der Apotheker nickte. »Kann man die mahlen?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich hab’s nie probiert, aber Sie können sie bei Ihrem Wolf ausprobieren.«
Die Herstellung von Giftpulver konnte gefährlich sein. Wenn man die Dämpfe in einem geschlossenen Raum einatmete, konnte man
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