Das Stockholm Oktavo
Plomgren, bitte holen Sie Fräulein Blom.«
Anna Maria blickte zu einer Hausmagd hinüber, die in der Eingangshalle herumstand, schluckte aber den Protest hinunter, der ihr schon auf der Zunge lag, und ging hinaus. Ihre bellende Stimme von unten her war nicht zu überhören, und bald schon wand Johanna sich unter den vereinten Blicken der Boudoir-Gesellschaft.
»Wir sprechen gerade über das Debüt.« Die Uzanne fasste Johannas Unterarm mit zwei Fingern und drückte ihn. »In der Küche der alten Köchin haben Sie gut zugelegt, Fräulein Blom. Sie werden perfekt in Ihr Kostüm passen.« Sie nickte der wartenden Luisa zu, die ihren Posten verließ und mit einer Robe auf ihren ausgestreckten Armen zurückkam. »Probieren Sie das Kleid für uns an. Ich bin sicher, den Herren wird es gefallen.«
Als Johanna mit rotem Gesicht und aufgestecktem Haar aus dem Zimmer am anderen Ende der Diele zurückkam, verstummte das Gespräch. Wie gelähmt sah sie sich selbst in dem großen Spiegel. Es war, als hätte man all die zarten Farben des Frühlings über ihr ausgekippt. Die Grundfarbe Ihres neuen Kleids war ein helles Grün, das steife Oberteil war ein Meisterwerk der Stickerei – lange, geschwungene Schleifen aus Silberfäden mit rosa- und korallenfarbenen Knospen kurz vor dem Erblühen, die bereits die süßen, reifen Beeren verhießen. Das Dekolleté war so weit ausgeschnitten, dass es ihre vollen Brüste zur Geltung brachte, und die wollweiße Spitzenborte verbarg knapp die fleischfarbenen Höfe der Brustwarzen, die von beinernen Stäben nach oben gedrückt wurden. Der Rock schwebte über schäumenden Schichten von Unterröcken und war mit cremeweißen Bändern durchzogen. An deren Schnittpunkten waren kleine Seidensträuße in hellem Lila, Rosa, Koralle, Sahneweiß und Purpurrot aufgenäht. Eine vier Finger breite Borte mit ebendiesen wundervollen Blumen säumte das Kleid. Der passende Mantel lag vom Nacken bis zur Taille eng an, dann bauschte er sich, fiel fließend zu Boden und enthüllte ein rostrot und sahneweiß gestreiftes Satinfutter. Blaue Seidenbänder hingen als Gürtel in regelmäßigen Abständen an den Schößen, doch dieser Mantel war sicherlich nicht dazu gemacht, zugebunden zu werden. Die weiten Ärmel waren vom Ellbogen an mit Kaskaden von Spitze besetzt, die bis zu den Handgelenken fielen. Johanna starrte in den Spiegel, nicht auf sich selbst, sondern auf das Kleid, das so farbenfroh war, wie sie es sich immer erträumt hatte. Sie berührte den Ärmelsaum, als müsse sie sich vergewissern, dass es echt war.
»Sie … Sie sind ganz verwandelt, Fräulein Blom!«, stammelte Lars Nordén. Meister Fredrik klatschte laut.
»Nun denn.« Anna Maria wandte ruckartig den Kopf von ihrer Rivalin ab. »Und wie wird mein Kostüm aussehen, Madame?«
Die Uzanne drehte sich zu ihr um. »Das venezianische Dominokostüm ist in dieser Saison die erste Wahl der Patrioten.«
Anna Maria kochte sichtlich vor Wut. »Ich soll als … Junge gehen?«
»Nicht als Junge, als studentischer Prinz. Sie werden an meiner Seite sein, um zu lernen und zu studieren. Gustav hat ein Auge für Schönheiten beider Geschlechter, und er wird sicherlich auf Sie aufmerksam werden.« Sie hielt ihren grau-silbernen Fächer hoch. »Der wird an jenem Abend der Ihre sein. Wenn Sie alles richtig machen, dürfen Sie ihm einen Namen geben und ihn behalten.«
»Ein Unterpfand, das einer Königin würdig ist.« Lars schob sich neben die befriedete Anna Maria. »Wenn mein Pfläumchen Herrenkleidung trägt – tragen dann Ihre Kavaliere Kleider?«
»Mir gefällt die Vorstellung von Ihnen im Kleid, Herr Nordén. Sie sind ein ziemlich gutaussehender Mann. Was meinen Sie, Herr Lind? Das muss doch ein Traum sein, der wahr wird!«
Meister Fredrik holte tief Luft. »Madame, ich hoffe, Sie sehen mir meine Neugier nach …«
»Ihre seltsamen Gelüste, Herr Lind? Aber ja!«, sagte die Uzanne mit spöttisch gerunzelter Stirn. »Aber was Ihre Gefräßigkeit angeht, so sollten Sie früh mit dem Fasten beginnen, wenn Sie in Ihr Kostüm passen wollen.«
»Werden Ihre Schülerinnen auch als Dominos gehen?«, fragte Lars. »Sie werden zutiefst betrübt sein, wenn sie ihre Prädikate nicht zeigen dürfen – desgleichen die anwesenden Herren.«
»Nein, Herr Nordén, die jungen Damen haben die Aufgabe, für die entsprechende Stimmung zu sorgen. Jeder Einzelnen wurde einer von Gustavs Mannen zugewiesen, mit dem sie Waffengang und Dominanz praktizieren soll. Also
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