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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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von Dachlawinen spielten die Melodie der bevorstehenden Tagundnachtgleiche. Um sechs Uhr klopfte Frau Murbeck endlich mit Tee und Neuigkeiten an meine Tür: Sie war auf Gullenborg gewesen.
    »Das ganze Haus ist in Aufruhr«, sagte sie und schob sich schnell in meine Wohnung. »Aber das war ja zu erwarten, nachdem die alte Köchin so plötzlich dahingegangen ist.«
    »Was ist mit meinem Brief an Fräulein Blom?«, fragte ich.
    »Die Uzanne war nirgends zu sehen. Luisa sagt, sie sei noch immer aufgelöst über den Tod der Köchin, hätte die ganze Nacht nicht geschlafen, sei hin und her und her und hin gelaufen, behauptet sie.«
    »Mein Brief, Frau Murbeck!«
    »Ich durfte nicht zu Fräulein Blom und habe der Küchenmagd die Nachricht gegeben.«
    »Der Küchenmagd! Sie haben sie hoffentlich geschmiert?«
    »Also wirklich! Alle dort sind in Trauer und denken nicht ans Geld!«, sagte Frau Murbeck. »Und auf den Maskenball gehen sie auch nicht.«
    »Was?«
    »Nun, mit Sicherheit kann ich es nicht sagen, aber sie sollten es jedenfalls nicht tun.« Sie sah meinen panischen Blick. »Wer weiß, vielleicht finden sie auf Gullenborg ja auch die Kraft, weiterzumachen. Am besten, Sie bereiten sich vor, Herr Larsson. Lassen Sie mal Ihr Kostüm sehen.« Ich hielt verschiedene Kleidungsstücke zu ihrer Begutachtung hoch. »Das wollen Sie anziehen? Der graue Umhang ist schrecklich trist, und diese Strümpfe werden Sie den ganzen Abend kratzen. Die Leier ist das einzig Schöne. Und wo ist Ihre Maske?«
    »Ich habe keine Maske«, sagte ich, erstaunt über meine Gedankenlosigkeit. Sofort nahm ich meinen Überrock, eilte hinunter zu den Marktständen am Slottskajen und hoffte, dort noch jemanden anzutreffen. »Eine Maske!«, sagte ich, außer Atem vom Rennen.
    »Die sind fast ausverkauft. Farbe?« Die Marktfrau hatte sich in einen roten Mantel gehüllt, der mehrere Nummern zu groß war, und trug eine schwarze Haube, geschmückt mit allerlei bunten Federn.
    »Am ehesten Grau. Mein Kostüm ist überwiegend grau.«
    »Grau? Wollen Sie auf einen Maskenball oder zu einer Fastenprozession? Vielleicht eine weiße mit Zierrat? Federn? Pailletten, Borten? Ich habe auch eine mit Flügeln rechts und links. Und eine schöne türkische Maske mit einem vornehmen Schleier.« Sie wühlte in ihren Säcken und Kisten.
    »Haben Sie nichts Schlichtes?«
    »Eine Dame will nichts Schlichtes tragen.«
    Plötzlich fiel mir Meister Fredrik ein: In meiner Sorge um Johanna hatte ich vergessen, ihm den Plan mitzuteilen.
    »Nein, nein, die Maske ist für mich.«
    Schnaubend reichte mir die Marktfrau im Tausch gegen eine lächerliche Summe eine schlichte weiße Maske. Dann rannte ich zum Köpmantorget, in der Hoffnung, meinen Freund zu Hause anzutreffen.
    Der klapperdürre Diener öffnete mir und verkündete, die Geschäftszeiten seien für heute vorüber. Im dunklen Flur erspähte ich jedoch Frau Lind, die die Enden ihres Umschlagtuchs zwirbelte. »Frau Lind! Ich bin’s – Emil Larsson, der Freund Ihres Mannes. Ich muss unverzüglich mit Meister Fredrik über die Ereignisse heute Abend sprechen.« Sie stürzte herbei, zog mich in die Wohnung und schlug die Tür laut zu.
    Sie drehte sich zu mir um, ihre Augen waren rot, sie kaute an ihren Fingernägel. »Ich habe ihn gebeten, nicht zu gehen, aber er will es unbedingt.«
    »Er tut es für Sie«, sagte ich. Sie nickte mit Tränen in den Augen. »Und auch für viele andere. Sie wissen ja gar nicht, wie viele!«
    Frau Lind führte mich zur Schreibstube und klopfte. »Freddie? Herr Larsson ist hier für dich.«
    Die Tür ging auf, der Duft von Eau de Lavande schlug mir entgegen. Ich betrat die Garderobe eines Experten für Kostümierungen und schloss die Tür hinter mir.

Kapitel 55

Die schwarze Kutsche
    Quellen: E. L., J. Blom, Lakai von Gullenborg
    Um zehn Uhr überquerte ich auf dem Weg zum Opernhaus in der gläsernen Luft eines Spätwinterabends die Norrbro. Meister Fredrik hatte ein passenderes Kostüm für mich gefunden, aber meine weiße Leinentunika und meine goldene griechische Chlamys erwiesen sich sogar unter meinem dicksten Wollumhang als zu dünn. Ich schlenderte so gelassen, wie ich konnte, um den Platz vor der Oper herum, und bei der dritten Runde sah ich die imposante schwarze Kutsche mit dem freiherrlichen Wappen. Die Pferde dampften, der Kutscher legte ihnen Schabracken für die Wartezeit um. Die Kutsche zeichnete sich vor den Fenstern eines Wirtshauses ab, orangegelbes Licht schien heraus, das mit

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