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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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Kapitän. Hatten Sie heute Nacht jemanden erwartet?«
    »Ja, in der Tat, aber doch kein Mädchen!«, sagte er. »Und schon gar keines, das eine Krankenschwester braucht.« Fluchend und brummelnd strich er sich übers Kinn, dann sagte er zu Tantchen: »Sie können Ausreißerinnen doch gut zusammenflicken.«
    »Das hier ist doch kein Sanatorium!«, schnaubte Tantchen. Hinken griff in seine Tasche und zog eine massive Goldkette heraus. Sie lächelte und gab ihm einen verspielten Klaps. »Schmeichler! Aber nicht länger als eine Woche. Sie nimmt schließlich Platz in Anspruch.« Der Fuchs wandte sich zum Gehen, seine Rettungsaktion war erledigt. »Was? Sie wollen wirklich gehen, ohne den Mädchen einen Besuch abgestattet zu haben? Nach allem, was war, haben wir beschlossen, die ganze Nacht über offen zu lassen.« Der Fuchs setzte seine Maske wieder auf und schüttelte den Kopf. »Dann helfen Sie wenigstens, das Mädchen die Treppen hinaufzutragen«, sagte sie. »Aber lassen Sie sich nicht bei den anderen sehen, Sie verderben ihnen sonst noch die Laune.«
    »Sie wissen doch, dass der König angeschossen wurde, Tantchen, was für eine Laune sollte der den Leuten also verderben?«, fragte Hinken.
    Die Matrone zuckte mit den Achseln: »Scheint gut fürs Geschäft zu sein.«

Kapitel 66

Kunst oder Krieg
    Quelle: M. F. L.
    Meister Fredrik stand am vorderen Fenster seiner Schreibstube und sah zu, wie die Leute wild durcheinander über den Köpmantorget rannten. Die Neuigkeit hatte sich in der Stadt verbreitet wie ein Funke im Unterholz – kreuz und quer, angefacht vom Wind Tausender keuchender und schreiender Münder. Die Lundgrens, die das dritte Stockwerk gemietet hatten, wollten nach Göteborg aufbrechen, sobald die Straßensperren aufgehoben wurden, als hätte das Ende der Welt eine geographische Grenze.
    Er nahm ein Kristallglas aus einem Vitrinenschrank und entkorkte eine Flasche Portwein, die er aufbewahrt hatte. Der Wein spritzte über den Rand des Glases – seine Hände zitterten trotz der Gelassenheit, zu der er sich zwang – und hinterließ dunkelrote Punkte auf den vierzig weißen Umschlägen, die er gerade adressiert hatte. Die Uzanne hatte verlangt, dass sie am Morgen nach dem Maskenball verschickt werden sollten, sie feierte ein Fest. Die Flecke sahen aus wie Meteore, wie die Zerstörung von Himmel und Erde. Der Weltuntergang. Die Einladungen sollten von der Feuersbrunst verschlungen werden. Er lachte über seine neugefundene Frömmigkeit, aber nur kurz. Denn es war wahrhaftig das Ende.
    Er warf seine Arbeit auf den Kaminrost und sah zu, wie sie schwarz wurde und sich verzehrte. Dann rief er nach seiner Frau, bekam aber keine Antwort. Sie hatte sich auf die Suche nach den Söhnen gemacht und war noch nicht zurückgekehrt. Ruhig ging Meister Fredrik zum Schrank in der Diele und nahm seinen mit Kaninchenfell gefütterten Mantel und den Gehstock mit dem Elfenbeinknauf; die feinen Ziegenlederhandschuhe ließ er jedoch auf der Konsole liegen. Er machte sich auf den Weg zum Slottsbacken, wo die Menschenmenge zusammengekommen war. Doch an der Kråkgränd ging er nach Osten zum Wasser und bog dann nach Süden ab. Jenseits des Slussen lag die Südinsel mit dem Wirtshaus
Zur Luchskatze
. »Diese Weinspritzer waren keine Meteore – es waren Noten. Ich muss Bellman finden!«, murmelte er vor sich hin.

Kapitel 67

Die Königssuite
    Quellen: E. L., Kapitän H., J. Blom
    Auf dem Rückweg von Madame Sparv nach Hause ging ich noch einmal bei Tantchen von Platen vorbei. Draußen stand ein lebhaftes Grüppchen Herren, angesichts der Uhrzeit eher eine ausgewachsene Gruppe. Hinken stand vor der Tür und riss Witze; in der Hand hatte er ein bedrohliches Eisengerät, für den Fall, dass die Situation außer Kontrolle geriet. Ich fing seinen Blick auf, mit dem er mir andeutete, dass ich zum Hintereingang gehen sollte. »In meinem Zimmer«, sagte er.
    »Wir stehen hier Schlange!«, rief ein Mann wütend.
    »Ich kenne Ihre Gewohnheiten, Magister. Was in meinem Zimmer ist, würde Ihnen nicht gefallen.« Hinken beäugte den Mann, der schweigend zurückwich.
    An der Küchentür schob ich mich an zwei Mädchen vorbei, die, in dicke Decken gehüllt, Tonpfeifen rauchten. Ich fragte sie nach dem direkten Weg zu Hinkens Zimmer. Sie zeigten auf einen Flur, der zum Haupttreppenhaus führte. Ich eilte durch den stinkenden Gang, in dem es nach Rosenwasser, Jasmin und Pisse roch, dann stieg ich, zwei Stufen auf einmal nehmend, die drei

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