Das Stockholm Oktavo
Tochter mit unverhohlener Freude an. Mutter Plomgren musterte den Raum, ihre Füße klopften ruhelos auf den Boden. Meister Fredrik und Frau Lind tranken Kaffee, die Rote Brita aus der Nachbarschaft schlenderte ins Hinterzimmer, wo Stärkungen angeboten wurden, und kam mit einer Safranbrezel zurück. Anna Maria, verschleiert und in Tränen, hing an dem trauernden Bruder Lars. Doch dann hob sie die Hand und blickte mich an, und ich sah ihre Angst hinter dem schwarzen Hutschleier.
Margot war katholisch, Christian Lutheraner, und so wollte kein Vertreter der einen oder anderen Kirche die Gebete sprechen. Meister Fredrik hatte sich bereit erklärt, Psalm 23 zu lesen, und wir Männer folgten dem Leichenwagen bis ganz hinunter zum Slussen. Wir setzten nicht auf die Südinsel über, sondern kehrten zum Leichenschmaus zurück, denn der Boden, der erst angefangen hatte aufzutauen, konnte den Sarg noch nicht aufnehmen. Man würde ihn zu den anderen Toten des Winters stellen und den Frühling abwarten.
Nachdem fast alle gegangen waren, konnte ich mich endlich neben Margot setzen. Kopfschüttelnd starrte sie auf einen fernen, unsichtbaren Punkt. »Weg. Alles weg. Mein Mann. Unser Laden. Mein Land. Mein König. Meine Zukunft. Ich muss an das Kind denken, aber ich weiß nicht, was ich denken soll«, sagte sie. Ich hatte darauf keine Antwort, also saßen wir schweigend nebeneinander. Ich sah ihre Füße an, die sie an den Knöcheln überkreuzt hatte, ihre Schuhe waren geputzt und poliert, die Spitzen schmal und aufgebogen. Mir fiel auf, dass die Absätze repariert und frisch mit dunkelblauer Farbe überzogen waren. Das waren nicht die Schuhe einer Frau, die man allein lässt. Irgendwann konzentrierte sie sich wieder auf den Raum und sagte: »Ich habe jede Verbindung zu diesem Ort verloren.«
Ich beugte mich zu ihr und konnte Zitronenverbene riechen – ein Markenzeichen des Ateliers. Ich sah sie an, ihr Gesicht war abgezehrt und blass, ihre dunkelrot nachgezogenen Lippen waren aufgesprungen und aufgebissen, die Falte zwischen ihren Augenbrauen war tief und sorgenvoll. Ich hielt die Luft an und nahm ihre Hand, drehte sie um und folgte mit dem Finger einer Linie auf ihrer Handfläche. »Wir sind miteinander verbunden, Margot. Sie sind eine der acht Personen meines Oktavos.« Sie sah mich verdutzt an. »Ich werde Ihnen helfen. Mehr müssen Sie im Moment nicht wissen.«
Sie schenkte mir ein ganz dünnes Lächeln, drehte ihre Hand und verschränkte ihre Finger mit meinen. »Danke, Emil. Ich werde meine Freunde brauchen.«
Kapitel 69
Blutorangen
Quellen: E. L., Dr. af Acrel, Krankenbesucher, Hauptmann J. C.
Am nächsten Tag ging ich wieder zur Krankenwache vor den Palast. Ich traf dort meinen Vorgesetzten, der meine Zuneigung zu König Gustav und meine ungepflegte Erscheinung teilte. Seit dem Attentat hatte keiner von uns gut geschlafen, und keiner hatte sich mit seinem Äußeren große Mühe gegeben. Unsere Tage galten der Wache und der Sorge. Die Nächte meines Vorgesetzten galten dem Gebet, meine den Karten und langen Spaziergängen die Svartmangatan hinunter zur Ecke Baggensgatan, wo ich mich vorbeugte und einen Blick auf das orangefarbene Haus warf. Mein Vorgesetzter und ich tauschten die neuesten Nachrichten über Gustavs Krankenlager aus, als ich sie auf der anderen Seite der Kolonnaden entdeckte. Zuerst sah ich allerdings ihren Korb voller Obst, der aus der grauen Masse herausstach. Ein etwa siebenjähriges Mädchen trug den Korb, sein Haar war so hell, dass es fast weiß war, und es trug einen dämmerblauen Samtmantel. Das Mädchen hielt den Korb, als lägen die Kronjuwelen darin, aus seinem Gesicht sprachen Stolz und Furcht. Jemand brachte dem verletzten König einen Schatz: Blutorangen aus Spanien. Und dieser Jemand war die Uzanne.
Die Menge teilte sich und ließ das Kind durch. Die Uzanne folgte. In einer Hand hielt sie einen geschlossenen grauen Seidenfächer mit Silberrand, die andere hielt sie ausgestreckt über die Schultern des Mädchens, berührte sie aber nicht, so als würde sie das Kind nur durch Magnetismus lenken. Sie lächelte strahlend. Ich rief ihren Namen und schob mich ihr durch die Menge entgegen, um die Orangen aus dem Korb zu kippen und zu verhindern, dass sie den Palast betrat, aber die Garden, die mein verwahrlostes Aussehen und meine wilden, roten Augen sahen, hielten mich zurück. Wieder rief ich nach der Uzanne, sie drehte den Kopf. Sie verbarg ihre Verärgerung kaum.
Weitere Kostenlose Bücher