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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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praktisch veranlagter Mann, der mit wertvoller Ware handelt. Und er ist fleißig, denn hier sind wieder Rohrkolben. Nach seinen eleganten Kleidern zu urteilen, ist er auch erfolgreich. Aber er blickt zurück auf etwas, und das ist nicht sein Gehilfe. Er hat Angst, dass man ihm folgt. Oder vielleicht empfindet er Reue.«
    »Es kann gar keinen anderen Weinhändler geben außer Vingström«, sagte ich und drehte mich zur Tür.
    »Haben Sie mir überhaupt zugehört?«, fragte sie.
    Draußen setzte ein Regenschauer ein. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her und sah wieder Madame Sparv an. »Vielleicht haben Sie sich in Bezug auf diese Vision geirrt – ich hatte noch nie Glück im Leben.«
    »Nein, es war kein Irrtum, die Vision bezog sich auf Sie. Und Glück ist meistens das Ergebnis harter Arbeit«, sagte sie mit müde klingender Stimme.
    Ich nickte und spielte mit dem flüssigen Wachs, das sich in einem erloschenen Kerzenstumpen sammelte.
    »Emil, warum zaudern Sie?«, fragte sie nun liebevoller.
    »Es … es hieß früher, ich sei verflucht, Madame Sparv.«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich.« Sie zündete die Kerze wieder an, ging aber nicht zum Tisch zurück, sondern setzte sich in einen der beiden Lehnstühle am Ofen. »Aber erzählen Sie mir davon, ein mitfühlenderes Ohr werden Sie nicht finden.«
    »Ich war fast zwölf, als meine Mutter mit einem unehelichen Kind schwanger war. Sie fürchtete, die Geburt nicht zu überleben, und wollte mir unbedingt von meiner eigenen Geburt erzählen. Anscheinend wurde ich mit zwei winzigen Zähnchen in meinem rosafarbenen Unterkieferzahnfleisch geboren. Meine Mutter behauptete, ich sei begnadet, die alte Hebamme aber holte umgehend den Pfarrer und nannte es das ›Zeichen der Bestie‹. Sie erzählte es überall herum, und die alten Weiber in der Katharinenkirche spuckten auf den Boden und hoben abwehrend die Hand gegen den bösen Blick, als meine Mutter mich dort taufen ließ. Bald tuschelte ganz Södermalm. Die Hausnachbarn vom unteren Stockwerk meinten, ich sei wohl ein Troll und man solle mich in die Berge zurückbringen. Andere schlugen meiner Mutter vor, mich zum Barbier zu bringen und diese Zähne ziehen zu lassen – besser, gar keine Zähne zu haben, denn als Sohn des Satans heranzuwachsen und dem Gesegneten die Hand abzubeißen. Mutter weigerte sich, und die Nachbarn verziehen es ihr nie.« Ich ging auf die andere Seite des Raums und setzte mich auf die Armlehne des Stuhls Madame Sparv gegenüber. »Als ich größer wurde, sorgte Mutter dafür, dass ich immer in ihrer Nähe war, und ließ mich verschwinden, indem sie mich in die Falten ihrer Röcke drückte. Sie brachte mir bei, den Mund zu halten und unter keinen Umständen auf mich aufmerksam zu machen. So lernte ich, zu beobachten und zuzuhören. Ich lernte, ein Niemand zu sein. Als ich meine Mutter fragte, was aus diesen Babyzähnen geworden sei, sagte sie mir, dass sie binnen vierzehn Tagen nach meiner Geburt wundersamerweise verschwunden wären.«
    Madame Sparv war ganz rot geworden vor Ärger über meinen Bericht. »Und wie das?«
    »Ich glaube, Mutter hat sie gelockert und gezogen. Vielleicht sind sie auch ausgefallen. Jedenfalls sind mein Vater und meine Mutter im Grab gelandet, und meine Schwester wurde tot geboren. Manchmal frage ich mich, ob ich wirklich verflucht bin.« Ich schluckte trocken und fing dann wieder ihren Blick auf. »Sehen Sie doch, wie die Dinge jetzt mit Carlotta stehen! Wie soll ich Liebe und Verbundenheit finden, wenn der Teufel mich ausersehen und gezeichnet hat?«
    »Unsinn. Der Teufel kann Sie nicht zeichnen. Aber manche Leute wollen sein Zeichen unbedingt in anderen sehen, vor allem in unsicheren Zeiten. Die Angst übertrumpft die Vernunft, und bevor die Leute überhaupt anfangen, das Gute zu suchen, haben sie das Schlechte schon gefunden.« Sie stand auf, ging zum Tisch und beugte sich über die fünf Karten. »Sie sind zu etwas ganz anderem ausersehen, Herr Larsson. Wenn das Oktavo vollständig ist, werden Sie es verstehen.«

Kapitel 9

Teufelszeug
    Quellen: E. L., Madame S., A.  Vingström
    A m folgenden Tag spazierte ich nach dem Kaffee in der
Schwarzen Katze
zu Vingströms Weinhandlung, in der Hoffnung, Carlotta anzutreffen und mich zu vergewissern, dass sie meinen Brief bekommen hatte. Herrn Vingströms Willkommensgruß baute mich mächtig auf, doch als ich mich nach dem Befinden der Tochter erkundigte, holte seine Frau aus und erschlug mich mit einem einzigen

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