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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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»Doch dazu braucht es im Wesentlichen Zusammenarbeit. Um es umgangssprachlich zu sagen: Eine Hand wäscht die andere. So macht man sein Glück.« Er streckte die Hand aus, ich schüttelte sie. »Ich kann Ihnen in dieser Hinsicht viel beibringen, denn ich bin höher hinaufgekommen, als man sich je erträumen konnte.«
    »Zweifellos würde ich von Ihren Unterweisungen profitieren«, sagte ich, als mir plötzlich die Acht der Bücher in den Sinn kam – ein Mann und eine Frau, die zusammen Noten lasen. Vielleicht waren dies Meister Fredrik und die Uzanne, die sich über Bellmans
Episteln
beugten. Bücher waren die Farbe des Strebens. Fredrik Lind war sicherlich ein Meister darin, die gesellschaftliche Leiter hinaufzuklettern. Er konnte auch plappern wie der Papagei, der in den Zweigen über dem Mann und der Frau saß. Ich war mir sicher, in ihm den Lehrmeister aus meinem Oktavo gefunden zu haben.

Kapitel 16

Madame Sparvs Auftrag
    Quellen: E. L., Madame S., Katarina E.
    Ich feierte Sankt Martin in diesem November bei einer wilden Nacht am Spieltisch, die damit endete, dass ich trunken auf einer Konsultation im oberen Zimmer beharrte. Das Oktavo war wieder dringlich geworden, da mein Vorgesetzter wegen meiner ausbleibenden Fortschritte ungeduldig wurde. Ich hatte so viele Fragen an meinen Schlüssel. Madame Sparv führte mich gegen zwei Uhr zuvorkommend die Treppe hinauf, und als Nächstes weiß ich nur noch, dass sie mich aus dem Schlummer geweckt hat. Die Vorhänge waren zurückgezogen, und der Fensterflügel stand dem kalten Wind und dem klaren Herbsthimmel weit offen. Ich zitterte unter der Decke, die sie in der Nacht um mich gelegt hatte, und nahm dankbar die dampfende Tasse entgegen, die sie mir brachte. Der Duft des starken Kaffees machte mir den Kopf wieder klar, und ich betrachtete das obere Zimmer, in dem ich die Nacht verbracht hatte. Alle meine vorigen Besuche hier hatten bei Dämmerlicht stattgefunden; dafür hatte Madame Sparv stets gesorgt. Im hellen Morgenlicht blieb nicht verborgen, dass die Dielen mit Sand geschrubbt und gewachst werden mussten, die elfenbeinfarbenen Wände waren fleckig und abgestoßen und trugen die geisterhaften Spuren abgehängter Bilderrahmen. Die blauen Vorhänge waren einst schwer und dick gewesen, nun waren sie an den Aufhängungen abgewetzt, und die Sessel hatten glänzende kahle Stellen an den Armlehnen. Der Kachelofen war der einzige Gegenstand im Raum, der in Würde gealtert war. Er war aus schönen moosgrünen Kacheln mit Goldrand und hatte eine Bronzeklappe. Die Kacheln waren noch immer warm vom Kohlenfeuer der vergangenen Nacht, und ich schob meinen Stuhl nah heran. »Wie spät ist es?«, fragte ich.
    »Zeit fürs Frühstück. Ich für meinen Teil sterbe vor Hunger. Nehmen Sie Ihren Kaffee und kommen Sie mit mir hinunter. Ich esse nie hier oben, außerdem muss ich Ihnen etwas zeigen«, sagte Madame Sparv. Wir gingen in den verlassenen Spielsaal, der noch von Kerzenstumpen in den Leuchtern erhellt wurde. Die Öfen waren kalt, die Böden ungefegt, denn es war Samstag, und am Abend wurde nicht gespielt. Die Leute gingen nicht aus, denn sie wussten, sie müssten am nächsten Morgen für den Kirchgang bereit sein. Auf einem Tisch lagen ein goldenes Pincenez und ein einsamer gelber Handschuh, auf einem anderen stand ein Damenschuh. Nach der Anzahl der leeren Wein- und Champagnerflaschen zu urteilen, die überall herumstanden, war ich wohl nicht der einzige Zecher, der mit Kopfweh aufgewacht war. Wir setzten uns an den einzigen sauberen Tisch, der mit einem weißen Leinentuch fürs Frühstück gedeckt war: eine Schale Äpfel, Knäckebrot, eine Käseplatte, eine Tonschüssel mit Hering und Zwiebeln, weiche Brötchen, Butter und Marmelade. Madame Sparv nickte Katarina zu, damit das Mädchen die Türen schloss. Nur schmale Lichtstreifen fielen durch die Spalte zwischen den Vorhängen.
    »Nach solch wilden Abenden räumt Katarina besonders gern auf, denn es gibt mehr Fundsachen als sonst. Sie verkauft sie an einem Stand am Järntorget und macht damit ein sehr gutes Geschäft«, sagte Madame Sparv. »Sie spart für ihre Hochzeit, Sie wissen ja, mit dem Hausmeister.« Ich zuckte bei dem Wort »Hochzeit« zusammen, sie tätschelte meine Hand. »Geduld, Herr Larsson, Geduld und Wachsamkeit.« Sie schenkte Kaffee nach und nippte an ihrem wie an einem feinen Cognac. Ein paar Minuten verstrichen, bis sie endlich ihre Tasse abstellte. »Ich habe mein Oktavo gedeutet und würde es gern

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