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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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aus.
    »Die Bewohner der Nordländer sind von melancholischem Temperament und brauchen dringend Aufmunterung«, sagte er. Er inspizierte seine Frisur, die im frischen Wind gelitten hatte. »Abhilfe kommt mit dem warmen Wind kleiner Luxusgüter.«
    Ich erwähnte, dass neulich ein paar Kisten mit chinesischen Fächern beschlagnahmt und verbrannt worden waren, woraufhin Meister Fredrik gleich sagte, dass er eng mit der Uzanne bekannt sei. Er nahm meinen Arm und führte mich die Hamngatan hinunter zum Kungsträdgården, dem Hofgarten. »Was Fächer angeht, verfügt Madame über ein so enzyklopädisches Wissen, dass sie es mit Diderot aufnehmen kann, außerdem besitzt sie eine unvergleichliche Sammlung, Herr Larsson«, sagte er und schlug den Kragen seines Überrocks gegen den Wind hoch. Wir kamen ans obere Ende des Parks, dessen Baumalleen den königlichen Palast am anderen Ufer einrahmten. »Madame ist ein Mensch von exquisitem Stil. Ihre Kleider, ihre Möbel, ihre Gastfreundschaft! Die arbiter elegantarium – führend in allen Geschmacksfragen. Da Sie selbst ein Mann von solcher Eleganz sind, würden Sie in Madame sicherlich eine Seelenverwandte finden.«
    »Ich bin keineswegs elegant, Meister Fredrik, Sie sind ein schrecklicher Schmeichler!«
    »Ich erkenne Vornehmheit, wenn ich sie sehe«, beharrte er und dämpfte dann die Stimme: »Madame und ich sind enge Freunde geworden. Sie vertraut mir ihre innigsten Wünsche an, damit ich sie erfülle.«
    Ich musste über seine glühende Rede lachen. »Bekennen Sie sich etwa, Meister Fredrik?«
    »Ich – mich bekennen? Lieber Gott, nein. Oder haben Sie über Madame und mich böse Zungen Verleumderisches sagen hören?«
    »Überhaupt nicht, Meister Fredrik, aber Sie sind unleugbar attraktiv«, fügte ich hinzu.
    »Madame reicht mir ihre Hand in Freundschaft und Hilfe. Wenn die Zeit reif ist, wird sie sich bei Hofe für mich einsetzen. Dann werde ich einen Titel bekommen.«
    »Einen Titel? Mehr gewährt sie Ihnen nicht?«
    Dieses Mal lachte er und sang eine eigene Version eines Bellman-Liedes, wobei er bei den Klarinettensoli tutete:
    »Tuut-tuut – Ach, wie sacht
    tuut-tuut – die Uzanne lacht.
    Den Hut in der Hand
    An rosarotem Band …
    Sieh die Uzanne schweben,
    Lachend Flor und Rüschen heben,
    Ihre Federhaube beben …
    Bis zum Knie,
    Bis zum Knie
    Wirft ihre Röcke sie!«
    Ich setzte eine schockierte Miene auf und fiel dann in das Lied ein.
    »Sie kennen dieses Liedgut«, sagte er mit echter Bewunderung.
    »Ich würde Bellman ebenfalls einen Meister nennen«, sagte ich ernst.
    Er schlug mir auf den Rücken. »Wir werden Freunde, Herr Larsson.«
    Schweigend gingen wir den Kiesweg hinunter zum Hafen, die flache Abendsonne überzog die Stämme der Krautweiden mit einem goldenen Schimmer. Der königliche Palast breitete sich an der Nordostecke der Altstadt aus, ein grauer Kasten, der sich vor dem noch graueren Himmel abzeichnete. Im Wind fiel der Regen stechend auf meine Haut.
    »Offenbar haben wir eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten, Herr Larsson. Darf ich Sie zu einer Stärkung einladen? Vielleicht zu einem frühen Souper?«
    Ich musste in knapp einer Stunde an den Docks sein, ein Abendessen kam also nicht in Frage. Aber normalerweise nahm ich süßen, starken Kaffee zu mir, bevor ich meine nächtlichen Runden drehte, und so schlug ich vor, im
Kinderwagen
Rast zu machen, einem Kaffeehaus im ersten Stockwerk eines Hauses in der Lilla Vattugatan. Wir folgten dem Geruch gerösteter Kaffeebohnen die enge Stiege hinauf und fanden einen Tisch am Fenster, wo die kühle Luft hereinzog. Das Lokal war hell erleuchtet und voll mit Herren, die entweder nüchtern werden wollten oder aber im Begriff waren, Dummheiten zu machen, sodass Feierlaune herrschte. Wir gaben unsere Bestellung auf, und Meister Fredrik kam wieder auf sein offensichtliches Lieblingsthema zurück: »Madame Uzanne hat seltene Gaben und darf in keiner Hinsicht unterschätzt werden. Das kann man spüren – sofern Sie akzeptieren, dass so etwas wie persönliche Anziehungskraft überhaupt existiert. Ich war nie der Meinung, dass allein die Vernunft uns regiert, sie scheint uns im Gegenteil gegeben zu sein wie ein Kleidungsstück, das wir je nach Uhrzeit an- oder ablegen.«
    »Sie sind wahrlich ein eloquenter Philosoph«, sagte ich und rührte drei Zuckerstücke in meine Tasse.
    Mit einer Handbewegung fegte er meinen Kommentar weg. »Na, wer ist denn hier der Schmeichler? Nein, Herr Larsson, Madame ist die

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