Das Stockholm Oktavo
weniger.«
»Ich weiß genau, was Sie meinen, Fräulein Blom«, sagte die Uzanne, sie breitete langsam ihren Fächer aus und wedelte dem Mädchen Luft zu.
»Vater und Mutter sorgen sich bitterlich um meine Zukunft. Sie hatten die Hoffnung, dass ich eine Stellung finden und mich hocharbeiten kann.«
»Können Sie lesen und schreiben?« Die Uzanne näherte sich Johanna, der Duft ihres Parfüms mischte sich mit dem leichten Stallgeruch, der an Johannas Schuhen haftete.
»Ja, Madame. Sowohl Schwedisch als auch Französisch. Und Latein kann ich besser als jeder Junge in meinem Alter.«
»Gut.« Die Uzanne nickte, in ihrem Haar funkelte ein mit Zitrinen besetzter Kamm. »Können Sie mit dem Fächer umgehen?«
Johanna antwortete wahrheitsgemäß, denn diese Fertigkeit konnte sie nicht vorgeben: »Nein, Madame, zu solchen Raffinessen hatten wir keine Gelegenheit.«
»Das Mädchen ist zu bescheiden, Madame!« Meister Fredrik stellte sich neben Johanna. »Sie ist eine geschickte Apothekerin, ich selbst bin einer ihrer Kunden.«
»Dann sind Sie darin ausgebildet, Arzneien und Kuren herzustellen?« Die Uzanne lächelte nun herzlich, sie hob Johannas Kinn an und sah ihr in die hellblauen Augen.
»Ja, Madame, mein Vater hat es mir beigebracht, er ist in Botanik und Pharmazeutik umfassend gelehrt. Ich habe eine Reiseapotheke dabei.«
»Das könnte sich als nützlich erweisen«, sagte die Uzanne leise, sie legte Johanna die Hand auf die Wange und ließ sie kurz dort verharren. »Erzählen Sie mir mehr.«
Johanna spürte ihre steifen Arme, ihren verkrampften Nacken. »Ich kenne alle geläufigen Arzneien, die aus Pflanzen hergestellt werden, aber auch stärkere Medikamente: Digitalis, Arnika, Schwarze Tollkirsche, Laudanum, Pulver aus Baldrian und Hopfen, das tiefsten Schlaf schenkt. Ich kann auch kochen«, fügte Johanna hinzu, obwohl sie bezweifelte, dass Madame die Speisen essen wollte, die sie zubereiten konnte: Rindenbrot, gepökeltes Ren und eine fade Suppe aus gelben Erbsen.
»Nein, meine Liebe, die Köchin wacht über meine Küche wie ein Troll. Ich habe etwas anderes mit Ihnen vor«, sagte die Uzanne leise. »Sie werden reich dafür belohnt, das verspreche ich Ihnen.« Sie drehte sich zu einem strahlenden Meister Fredrik um: »Und Sie auch.«
Johanna sah sich das Kleid ihrer Herrin genau an, eine Robe aus smaragdgrünem Seidendamast mit aufgenähten Paspeln, die vom Halsausschnitt bis zur Taille mit winzigen Perlen besetzt waren, und gestickten Ranken, die sich an der Seitennaht des schlichten Rocks hinunterschlängelten und über den Saum ausbreiteten; am Ende jeder Ranke knospte eine Phantasieblume. Ihr war, als würde in diesem Kleid die Saat ihrer Zukunft aufgehen. Wieder knickste sie vor der Uzanne, dieses Mal noch anmutiger und noch gefühlvoller.
»Sieh sich einer das an!«, murmelte Meister Fredrik. »Vielleicht hätte ich sie doch selbst behalten sollen!«
Kapitel 15
Die geräumige Sphäre
Quellen: E. L., M. F. L.
Natürlich kannte ich Meister Fredrik Linds Namen schon seit Jahren, es hatte aber nie einen Anlass gegeben, ihn aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen aufzusuchen. Seine Bekanntschaft machte ich in der Freimaurerloge. In einer unerwarteten Zurschaustellung von Menschlichkeit zeigte mein Vorgesetzter Mitleid mit mir wegen meines plötzlichen Verlusts von Carlotta. Er schlug mir vor, seine Loge zu besuchen, einen Ort, wo ich Väter kennenlernen könnte, die begierig darauf waren, ihre Töchter mit einem Mann von festen Grundsätzen zu verheiraten. Das bescherte mir eine Gnadenfrist bis weit in den Herbst hinein.
Die Freimaurer kamen auf Blasieholmen im
Bååtska palatset
zusammen, einem eindrucksvollen Palais von strenger Geradlinigkeit mit weißen Pilastern und einer einfachen Uhr hoch oben am Kupferdach über dem Portal, die mich daran erinnerte, dass ich zu meinem ersten Treffen zu spät kam. Meister Fredrik, Freimaurer seit vielen Jahren, war in derselben Zwangslage. Gemeinsam eilten wir in die Sitzung, und er nahm mich unter seine Fittiche.
Eines Nachmittags im Frühherbst schlenderten Meister Fredrik und ich nach dem Konklave zurück in die Stadt. Wir sprachen über die Zölle auf die kleinen Dinge, die den Menschen Freude machten, und waren beide der Meinung, dass diese Waren frei in unser Land gelangen sollten. Er blieb stehen und betrachtete sein Spieglbild im Schaufenster einer Bäckerei. In günstigem Licht und aus der richtigen Entfernung sah er noch immer flott
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