Das Stockholm Oktavo
inne und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Heute waren auch zwei Damen von der Oper hier. Sie haben drei Fächer bestellt, identische Exemplare.«
Christian wurde blass. »Lieber Gott, ich habe nichts anzuziehen!«
»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte Margot.
»Vielleicht kann ich mir einen Rock von Lars borgen, er ist neuerdings ein echter Dandy. Die Kundinnen sind ganz hingerissen von ihm. Er hat eine kurze scharlachrote Jacke mit schwarzen Borten, sehr edel. Das könnte Madame gefallen.«
»Christian!«
Er zog sie an sich und küsste sie auf den Scheitel. »Na ja, vielleicht leihe ich mir auch Lars’ grünen Rock aus der letzten Saison, der ist elegant genug, um bei Madame eingelassen zu werden, aber nicht so elegant, dass die Damen in Erregung geraten.« Er ließ sie langsam los, und seine Miene verfinsterte sich wieder. »Ich habe dich gehört, Margot.« Er ging zur Werkbank und ordnete die Pinsel.
Margot zündete eine Kerze an und blies die Öllampe aus. »Haben wir denn eine Wahl?« Sie verriegelte die Hintertür, Christian schloss die Fensterläden. Sie gingen in den Laden und prüften die Schlösser; die gelben Streifen an der Wand wirkten im flackernden Kerzenschein dunkelgrau. »Vielleicht ist es ein Omen. Aller guter Dinge sind drei: Kontakte, ein Auftrag, und der Schmetterling ist entfleucht«, sagte Margot leise.
Christian drückte sie an sich und blies die Kerze aus.
»Endlich einmal gute Nachrichten.«
Kapitel 21
Fortschritte auf dem Weg zu den Acht
Quellen: E. L., Stammgäste des Krugs zum Sauschwanz
Das Novemberlicht war fahl und grau, die Luft feucht. Ich zündete eine Kerze an, damit es heller wurde und der Sonntag zumindest optisch wärmer wirkte. Von einem Glas merkwürdig schmeckenden Rums im
Sauschwanz
war ich mit stechenden Kopfschmerzen erwacht. Niemand wusste, wo das graue Mädchen abgeblieben war, doch der Wirt verfluchte die junge Frau, als wäre sie die Tochter des Teufels, und bot mir die Hälfte seines Rumfässchens an, wenn ich sie ihm zurückbrächte, damit er sie verdreschen konnte.
Mein Vorgesetzter war wieder ungeduldig geworden und passte mich immer nach dem Sonntagsgottesdienst mit ein, zwei knochigen alten Jungfern im Schlepptau ab. Meine ausbleibenden Fortschritte wurden problematisch, und ihm ständig aus dem Weg zu gehen wurde mühsam. Sein Entschlossenheit, seine Drohung wahr zu machen und meine Stelle anderweitig zu vergeben, hatte nun ein Datum: 5 . Januar, Erscheinungsfest. Also hatte ich beim Kaffee am Samstag bekanntgegeben, dass ich mich mit einer Anwärterin und deren Familie treffen wolle und daher nicht in meiner angestammten Kirchenbank zu finden sei. Stattdessen wollte ich an meinem Oktavo arbeiten. Frau Murbecks Stimme, die unten ihren Sohn schurigelte, als die beiden zum Kirchgang antraten, war ein glückliches Zeichen: Ich würde mindestens drei Stunden Ruhe haben.
Ein Stoß Kanzleipapier, den ich aus dem Büro hatte mitgehen lassen, lag mit Feder und Tinte auf dem Tisch bereit. Ich nahm ein Blatt und malte die acht Rechtecke um das Quadrat in der Mitte. Die Uzanne stand eindeutig als mein Gefährte fest, unsere Verbindungen wurden zahlreicher. Ihr geliebter Fächer war in meinem Zimmer – ein hoher Einsatz, den ich setzen würde, wenn ich die richtigen Karten auf der Hand hätte. Die bevorstehende Unterrichtsstunde auf Gullenborg versprach Hinweise, wenn nicht eindeutige Antworten.
Der Gefangene. Anna Maria stand unter der Kuratel ihrer Mutter und wollte befreit werden. Nichts würde mir mehr Freude machen, als sie zu befreien oder selbst in Gefangenschaft zu nehmen. Dass wir uns vor dem Fächergeschäft begegnet waren, kurz bevor Kassiopeia in meine Hände gelangte, war eine hinreichende Verbindung zur Uzanne. Ich unterstrich ihren Namen mit einem eingerollten Schnörkel und ein paar langen Strichen.
Der Lehrmeister: der instruktive Meister Fredrik.
Ich überlegte, ob der kleine Murbeck mein Kurier sein könnte, beschloss aber, die Position noch frei zu lassen.
Der Betrüger? Selbst ohne eine Verbindung zur Uzanne lag es vom Bild auf der Karte her klar auf der Hand. Ich konnte den Namen nicht ausschreiben, also schrieb ich nur
Frau M
. Aber wie konnte ich sie für meine weiteren Zwecke nutzen?
Als ich das Trio auf der Geschwätzigen-Karte studierte, sah ich auf einmal Margot mir den Brüdern Nordén vor mir! Sicherlich könnte man eine gerade Linie vom Laden zur Uzanne ziehen. Margot würde jede Dame in der Stadt
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