Das Stockholm Oktavo
befürchtet hatte. Die Einwohner waren höflich und gut gekleidet, viele sprachen Französisch. Im Bollhuset wurden französische Theaterstücke aufgeführt. Der König war wahrlich aufgeklärt, er erlaubte sogar den Katholiken, ihre Religion auszuüben. Als Margot zum ersten Mal die Messe besuchte, die in den Räumen der Freimaurer auf Blasieholmen gehalten wurde, weinte sie vor Glück. Christian, der aus praktischen Gründen wieder zum protestantischen Glauben zurückkehrte, war den Freimaurern günstig gesinnt, nachdem diese so aufgeklärt waren, dass sie ihre Räumlichkeiten für diese Zwecke zur Verfügung stellten. Bald darauf trat er einer Loge bei, wo er kurze Zeit später Meister Fredrik Lind kennenlernte. Lind, auch er ein Künstler, drängte Christian, als Aushängeschild für die französische Lebensart einen Laden zu eröffnen, und versprach, ihm zu profitablen Kontakten zu verhelfen.
Die Ersparnisse der Nordéns flossen in die Renovierung des Geschäfts in der Kocksgränd – nicht die erste Adresse, aber eine, die sie sich leisten konnten. Christians jüngerer Bruder Lars, der in Stockholm geblieben war, während Christian in Paris gelebt hatte, wurde angestellt, um die Damen zu betören. Die Nordéns beteten, dass die Freude an allem Eleganten und Französischen, das die gustavianische Zeit erfüllte, ihr Geschäft zur Blüte bringen würde, doch über ein Jahr danach warteten sie noch immer darauf, dass ihr Gebet erhört wurde.
Es schlug acht Uhr, als Christian endlich nach Hause kam. Er küsste Margot und hielt sie dann auf Armeslänge entfernt. »Was ist los?«, fragte er misstrauisch.
»Nichts.« Sie zuckte mit den Achseln.
»Aber ich spüre doch, dass etwas ist.« Er zog seinen Mantel aus und rieb sich die Hände, um sie zu wärmen. »Es tut mir leid, dass ich so spät komme, ich war in der Loge und habe hervorragende Neuigkeiten. Aber erst sagst du mir, was dich bedrückt.«
Margot zog den Brief aus der Tasche, gab ihn ihrem Mann und setzte sich auf den Malerschemel. »Dein Bruder war der festen Überzeugung, der Brief sei an ihn gerichtet, aber ich wollte ihn nicht für ihn übersetzen.«
»Ganz recht, ganz recht. Es ist unser Geschäft, und wir sind zu Diskretion verpflichtet.« Er faltete das Papier auseinander und ging näher ans Licht.
»Dein Bruder mag mich nicht.«
»Unsinn, Margot. Lars hat nichts gegen dich, er ist nur über die Maßen von sich selbst eingenommen.« Er las den Brief und blickte dann auf. »Die doppelte Summe! Diese Kassiopeia hat uns großes Glück gebracht, Margot!«
»Das ist Schmiergeld, mein Lieber.«
»Nein, nein, es ist Dankbarkeit. Madame S. hat ihre Gründe.«
»Und was heißt das – er ist
unserer Sache wohlgesonnen
?«
»Na, Madame S. ist aus Reims. Wir haben über Frankreich gesprochen und über das Bestreben Gustavs, den König zu retten.« Er starrte an die Decke, als würde er sich an ihre übereilte Flucht nach Norden erinnern, aber Margot nahm sein Gesicht in ihre Hände und drehte es zu sich.
»Mit Politik solltest du dich niemals abgeben. Unser Geschäft ist Kunst und echte Liebe.«
»In Sachen echte Liebe bin ich dein eifrigster Kunde, aber nun haben wir auch eine Kundin für die Kunst.« Christian nahm ihre Hand. »Margot, ich wurde eingeladen, über Fächer zu dozieren«, fiepte er vor Aufregung. »Im Haus der Madame Uzanne!« Margot schlug die Hand vor den Mund.
»Ja, Margot – Madame Uzanne, die führende Dame in der Kunst, meiner Kunst, hier in der Stadt. Ich werde vor ihrer Klasse junger Damen sprechen. Wir werden Hunderte von Fächern an sie verkaufen.«
Margot nahm die Hand von ihrem offenstehenden Mund und küsste Christian. »Und wie kam es zu diesem Wunder?«
»Durch meinen Bruder«, sagte Christian. Margot runzelte die Stirn. »Nicht meinen Bruder Lars, sondern einen Logenbruder, Meister Fredrik Lind. Er ist Madame Uzannes rechte Hand und hat versprochen, uns zusammenzubringen. Das ist unsere Chance, Margot! Endlich werden wir unseren Weg machen. Meister Fredrik hat vorgeschlagen, dass ich Madame ein Geschenk schicke. Ich dachte da an den Schmetterling.«
»Den habe ich heute verkauft. An den Herrn, der den Brief überbracht hat. Er hat die volle Summe bar bezahlt.«
Christian blickte hinaus in den Laden und zu dem Schrank voller unverkaufter Fächer. »Das ist traurig, er wird uns fehlen.«
»Traurig? Aber das ist doch ein Tag voller guter Nachrichten, Monsieur Nordén!« Sie zog seinen Kragen glatt, hielt dann
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