Das Stonehenge-Monstrum
mich so gedreht, daß ich trotzdem noch etwas erkennen konnte. Als ich durch die schmalen Augenschlitze in die Höhe schielte, bekam ich es noch einmal mit der Angst zu tun. Das Bild schreckte mich, und ich hoffte, daß ich mich unter Kontrolle hatte und die Kerle nichts merkten.
Einige von ihnen standen neben mir, die Knüppel schlagbereit in den erhobenen Händen. Sie schwebten wie Drohungen über meinem Körper. Ich brauchte nur in die Gesichter der Typen zu sehen, um zu erkennen, was mich erwartete, wenn ich nicht starr liegenblieb. Ich war noch längst nicht aus dem Schneider, aber auch nicht aus dem Rennen, denn meine Waffen hatte ich mir bisher nicht abnehmen lassen. Die Männer trafen auch keine Anstalten, um mich zu durchsuchen, sie warteten auf ihren Anführer, und das war der Kerl mit dem Pferdeschwanz.
Ich hatte ihn ebenfalls relativ hart erwischt. Mit dem Handrücken wischte er über seine Lippen, als er zwei seiner Leute zur Seite stieß, um sich freie Bahn zu verschaffen. Direkt neben meiner Brust blieb er stehen und schaute auf mich herab.
Da ich ziemlich günstig lag, konnte ich ihn durch die Augenschlitze erkennen. Seine Lippen zeigten ein hartes Grinsen. In den Augen lauerte eine gewisse Bösartigkeit. Seine Helfer hatten sich bis an die Ränder des Podests zurückgezogen, wo auch Suko lag und sich ebenfalls nicht rührte. Seine Fesseln hielten noch. Er unternahm auch nicht den Versuch, sie zu lösen, denn das hätten seine Feinde erst gar nicht zugelassen.
Der Pferdeschwanz stierte auf mich nieder. Dann trat er mich. Ich hatte mit einem derartigen Tritt schon gerechnet, deshalb hielt ich mich auch unter Kontrolle, stöhnte nicht einmal auf und spielte weiterhin den Bewußtlosen.
»Holt Whisper!«
Zwei seiner Helfer verschwanden. Als sie zurückkamen, mußten sie den Informanten stützen. Er war einfach zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten. Er humpelte. Irgend etwas war mit seinem rechten Bein. Der Kopf leuchtete wie ein wandernder Mond. Mit bösen Blicken schaute er mich an, wurde aber vom Pferdeschwanz abgelenkt, der zwei Finger unter sein Kinn legte und den Kopf anhob, damit Whisper ihn anschauen konnte.
»Bist du okay?«
»Es geht.«
»Aber du kannst reden?« Er nickte.
»Wer sind die beiden?«
Whisper wischte Schweiß von seinem Gesicht ab. Dann nannte er unsere Namen und fügte noch hinzu, daß wir Bullen wären und das Rätsel um den Götzen aufklären wollten.
Er hatte nicht laut gesprochen, dennoch war er von allen Männern gehört worden, auch von denen, die außerhalb des Gestells standen. Sie alle lachten, als sie erfuhren, was wir vorhatten, nur der Pferdeschwanz blieb gelassen und auch wachsam. Mit einer wilden Handbewegung unterbrach er die Reaktion. »Ihr solltet euch nicht kindisch benehmen. Sie haben uns bestimmt nicht die schlechtesten Leute geschickt.«
»Sind sie denn auch gut genug für den Götzen?«
»Nein.«
Da der Götze schon angesprochen worden war, verdrehte ich meine Augen und schielte auf die Steinfratze. Sie leuchtete noch immer in ihrem blassen Schein. Aus der Nähe sah ich, wie porös seine ›Haut‹ war. Als hätte jemand an dem Gestein herumgehämmert und Platz für das Licht geschaffen, das überall durchdrang.
Die Steinfratze war bleich geworden. Auf mich wirkte sie unheimlich. Sie lebte und war trotzdem tot. Irgendwo angesiedelt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, ein Relikt aus einer Zeit, die in unsere nicht mehr hineingehörte.
Aber sie war gefährlich. Ihr wurden Menschen geopfert, und wenn es nach dem Pferdeschwanz ging, waren Suko und ich als nächste an der Reihe. Die Vorteile zumindest lagen auf ihrer Seite. Ich war nicht so groggy, wie ich mich gab. Bisher hatte noch keiner der Typen daran gedacht, mich nach Waffen zu durchsuchen. Ich konnte nur hoffen, daß dies vorerst so blieb, damit ich mich auch weiterhin erholen konnte.
Der Pferdeschwanz stand günstig. Er war der Chef, auf ihn hörten sie. Wenn es mir gelang, ihn als Geisel zu nehmen, bekam ich möglicherweise einen Aufschub.
Whisper wollte etwas sagen, aber der Boß schüttelte den Kopf. »Später, erst sind sie an der Reihe!«
»Willst du sie opfern?«
»Sicher.«
»Wann?«
»Sofort!«
Klare Fragen, klare Antworten, und niemand widersprach. Aber der Pferdeschwanz hatte es nicht eilig. Auf mich machte er nicht nur den Eindruck eines Fanatikers, sondern auch den eines Verbrechers, der raffiniert war und genau wußte, was er wollte. Er wandte sich an Whisper.
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