Das Stonehenge-Monstrum
dieser Gestalt doch verletzbar war.«
Es war für mich kaum zu fassen. Über uns schwebte ein uralter Dämon, dessen Existenz mathematisch kaum zu erfassen war, aber er sprach wie ein Kumpel, ein Geschäftspartner – ja, einfach wie ein Mensch, und das konnten wir beide kaum fassen.
»Es geschah noch einiges mehr, was mit den Stummen Göttern und Großen Alten zusammenhing, aber das sind Einzelheiten, die euch nicht zu kümmern brauchen. Hier geht es einzig und allein um mich. Ich hoffe, daß ihr dies begreift.«
»Hin und wieder schon«, gab ich zu. »Aber du hast ein Problem, das aus der Vergangenheit erschienen ist.«
»Richtig. Das Monstrum.«
»Mit dem du nicht fertig wirst.«
Der Spuk reagierte nicht. Er wollte es nicht zugeben. Ich aber bekam wieder den Kälteschock in meinem Innern mit, der abermals an meinen Knochen nagte, so daß ich den Eindruck bekam, allmählich einzufrieren. Deshalb mußte ich mich schütteln.
»Er ist da.«
»Hat er einen Namen?« rief ich.
»Nein, nur ein Gesicht, keinen Körper. Sternenstaub und Sternenlicht haben sich zu einer Materie vereinigt, in der die Kraft der Urzeit steckt, und sie befindet sich ausgerechnet hier auf dieser Erde. Sie ist gefunden worden, sie hat sich gemeldet, du hast die Menschen gesehen, die ihm zugetan sind.«
»Ja – wer sind sie?«
»Sternenjünger.«
»Ja, so haben sie sich genannt. Sie sind weder Astronomen noch Astrologen, sie lieben einfach das Licht und die Kraft der Sterne und erhoffen sich dadurch die Macht, die ihnen ein normales Leben nun nicht geben kann. Das ist alles.«
»Nein, das ist nicht alles. Ich verstehe nicht, daß du es nicht schaffst, ihn zu besiegen.«
»Hast du nicht begriffen?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Auch ich bestehe aus dem Licht der Sterne. Du kannst sagen, daß wir ungefähr gleichstark sind.«
»Deshalb kam es nicht zum Kampf…«
»So ist es. Aber ich denke, daß er weiß, wie stark ich bin. Deshalb hat er sich auch zurückgezogen.«
»Wohin?«
»Das mußt du wissen, John Sinclair. Du brauchst nur über seinen Namen nachzudenken.«
Stonehenge-Monstrum, dachte ich. Natürlich. Wenn, dann gab es für ihn keinen anderen Weg, als sich an diesem geheimnisvollen Ort zu verstecken, wo die mächtigen Steine standen, die allen, die sich damit beschäftigten, auch heute noch Rätsel aufgaben, trotz modernster wissenschaftlicher Methoden.
»Willst du, daß wir nach Stonehenge gehen?«
»Seht ihr denn eine andere Möglichkeit?«
»Nein, nicht.«
»Dann geht.«
»Warum? Sollen wir dich in deinem Kampf unterstützen, Spuk?«
»Weil ihr mir etwas schuldig seid. Ich habe euch das Leben gerettet. Die Sternenjünger hätten euch vernichtet. Vergeßt nie, daß sich das Monstrum auch von Menschen ernährt. Sein Licht ist kalt, es ist grausam, es ist wie Eis. Es verdaut Fleisch und Blut. Das solltet ihr bei allem nicht vergessen.«
Suko meldete sich wieder. »Stonehenge ist groß. Wo genau finden wir das Monstrum?«
»Fragt seine Helfer!«
»Cortez?«
»Zum Beispiel.«
»Er wird sich kaum blicken lassen.«
»Das ist nicht mein Problem«, erwiderte der Spuk. Er reagierte noch immer sehr menschlich und nicht wie ein Dämon, den es beinahe schon seit Ewigkeiten gab. Er konnte sich so zumindest anpassen, wenn auch seine äußere Gestalt im krassen Gegensatz dazu stand. Seine Augen blieben, aber sie veränderten sich, denn der Spuk zog sich aus unserem Sichtbereich zurück.
Die Umgebung erhellte sich wieder. Zwar nur sehr langsam und schwach, aber ich sah die Umrisse meines Freundes Suko, der auf dem Gestell hockte, den Kopf drehte und mich angrinste. Ich grinste zurück.
Jetzt wußten wir endlich, daß wir es überstanden hatten. Ich schaute gegen den Himmel und sah ihn normal über mir. Keine tiefe Schwärze mehr, eher ein weites Grau, hin und wieder aufgelockert durch das Licht eines Sterns. Was mich wiederum darauf hinwies, daß wir es mit dieser Kraft zu tun hatten, die uns allerdings nicht positiv gegenüberstand. Ich stand auf, streckte Suko meine Hand entgegen, die er ergriff und sich ebenfalls in die Höhe ziehen ließ.
»Geschafft?« fragte er.
»Kaum die Hälfte.«
»Richtig.«
Wir schauten uns um. Trotz der erhöhten Stellung bekamen wir nichts zu Gesicht, was uns hätte interessieren können. Alles war düster, kein Mensch hielt sich in unserer unmittelbaren Nähe auf. Dieser Platz erstickte an seinem eigenen Schweigen.
Ich räusperte mich. Im Mund hatte ich einen Geschmack wie kalte Asche.
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