Das Stonehenge - Ritual
Fünfundzwanzigjährige mit dem schmalen Gesicht ist den Großteil seines Lebens arbeitslos gewesen. Wenn er sich doch mal die Mühe gemacht hat, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten, dann niemals weit von einem Ortszentrum und einem Pub entfernt. Die Knochenarbeit eines Erntehelfers oder Landarbeiters – noch dazu mitten in einem alkoholfreien Niemandsland – passt nicht zu ihm.
Naylor ist tot, daran besteht für Megan kein Zweifel mehr. Das sagt ihr nicht nur ihr Verstand, sondern auch ihr Bauchgefühl. Sie weiß, dass sie bald gezwungen sein wird, nach dem Telefon zu greifen und seiner Schwester die traurige Nachricht mitzuteilen.
»Jim, versuchen Sie doch mal anzuleiern, dass ein paar Leute von der Scheune abgezogen werden und per Radar das Feld absuchen.«
»Sie glauben, er liegt dort draußen begraben?«
Megan nickt. »Ich glaube es nicht, ich weiß es.«
90
Ab einem bestimmten Zeitpunkt muss man versuchen, ins gegnerische Spielfeld vorzudringen.
Man muss zum Angriff übergehen.
Proaktiv statt reaktiv spielen.
Gideon geht diese Verhaltensregeln im Geiste noch einmal durch, während er vor dem Büro der Baufirma D. Smithsen nervös von einem Bein auf das andere tritt. Die Firma besteht aus einer hässlichen Ansammlung von Baucontainern auf einem heruntergekommenen Industriegelände. Auf dem Hof stehen mehrere alte, rostige Lastwagen. Der von Schlaglöchern durchsetzte Asphalt ist mit kleinen, furunkelartig aussehenden Häufchen verschütteten Kieses und Zements übersät. Unpassenderweise steht auf diesem Hof auch ein makelloser schwarzer Bentley. Das Kennzeichen lässt keinen Zweifel daran, wem er gehört.
Gideon holt tief Luft und tritt in den schmuddeligen und alles andere als einladend wirkenden Empfangsbereich.
»Guten Morgen. Ich würde gern mit Mr. Smithsen sprechen. Ich hätte einen Auftrag für ihn.«
Die Frau hinter dem schäbig aussehenden Schreibtisch wirkt nicht gerade erfreut über die Störung. Mit pikierter Miene legt sie ihre Zeitschrift weg und steht auf. »Nehmen Sie Platz. Ich sehe mal nach, ob er gerade Zeit hat.« Sie zerrt an einer Schiebetür, wirft einen Blick in den Raum und wendet sich dann wieder Gideon zu. »Sie können reingehen.« Mit diesen Worten zieht sie die Tür ganz auf und tritt zur Seite.
David Smithsen erhebt sich von einem abgewetzten Ledersessel, um seinen Besucher zu begrüßen. »Mister Chase, wie geht es Ihnen?« Er deutet auf einen Stuhl.
»Gut, danke.«
Smithsen lässt sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder. »Sie sehen auf jeden Fall besser aus als beim letzten Mal.«
»Das war kein guter Zeitpunkt.«
»Da haben Sie recht. Also, womit kann ich dienen?«
»Ich glaube, es wäre langsam an der Zeit, die Arbeiten am Haus meines Vaters in Angriff zu nehmen. Sie wissen schon, den Brandschaden in seinem Arbeitszimmer und die Reparatur am Dach.«
»Am Dach?«
»Sie hatten doch erwähnt, dass Sie für meinen Vater irgendwelche Dachziegel austauschen sollten. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, hatte er sogar schon eine Anzahlung gemacht.«
Smithsen schlägt sich mit der Handfläche gegen die Stirn. »Aber natürlich!«, antwortet er lächelnd. »Tut mir leid. Jetzt weiß ich es wieder. Ich dachte, Sie sprächen vom Dach über dem Arbeitszimmer.«
Gideon lächelt ebenfalls. Höchste Zeit, mit dem Versteckspiel aufzuhören. Er hat nicht die Absicht, den Bauunternehmer zu engagieren. Das war lediglich ein Vorwand, um den Mann zur Rede zu stellen. »Als Sie kürzlich bei mir in Tollard Royal waren, haben Sie oben herumgeschnüffelt und Ihre neugierige Nase in ein paar private Aufzeichnungen meines Vaters gesteckt.«
Smithsen starrt ihn entsetzt an. »Ich wollte doch nur prüfen, ob Ihre Decke noch sicher ist!«
»Nein, das wollten Sie nicht.« Obwohl Gideons Stimme ruhig klingt, wird er immer nervöser. »Mr. Smithsen, ich hatte mir genau gemerkt, wie und wo ich die Bücher hinterlassen hatte. Ich weiß, dass Sie sich daran zu schaffen gemacht haben. Sie waren auf der Suche nach etwas, und ich glaube auch zu wissen, wonach.«
Der Bauunternehmer schweigt.
»Sie haben dasselbe gesucht wie der Einbrecher, der mich in dem brennenden Haus hat liegen lassen.«
Smithsen bemüht sich krampfhaft um einen beleidigten Gesichtsausdruck. »Also wirklich, Mr. Chase, ich …«
Gideon fällt ihm ins Wort. »Lassen Sie das Theater, ich weiß genau, zu welcher Zunft Sie gehören und woran Sie glauben. Vermutlich befürchten Sie jetzt, ich könnte
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