Das Stonehenge - Ritual
ist schon ganz schwindelig, als sie endlich stehen bleiben und ihr abgestandenes Wasser zum Trinken geben. Ihr Magen rumort. Der Hunger quält sie mit stechenden Schmerzen und Krämpfen.
Nachdem die Männer sie auf diese demütigende Weise bewegt und getränkt haben, nehmen sie ihr die Eselsstricke ab und ziehen sich zurück.
Nun kann Caitlyn tun, was sie will. Nur gibt es nichts zu tun. Um sie herum ist nichts als Raum. Ein Raum, in dem sie gefangen ist – gefangen von Leuten, die sich außerhalb des Raumes befinden. Ihr ist klar, dass sie gerade einer Art psychischen Folter unterzogen wird. Erst sperrt man sie in eine Mauernische, wo sie sich nicht bewegen kann, und nun bekommt sie so viel Platz, wie sie nur will, und kann sich trotzdem nicht bewegen.
Freier Wille, schießt Caitlyn durch den Kopf. Sie versuchen, ihren Willen zu brechen.
Sie setzt sich auf den Boden. Im Schneidersitz. Mit geschlossenen Augen versucht sie, die Welt um sie herum auszublenden. Das ganze Grauen. Sie versucht, sich selbst zu finden. Sich mit irgendeinem eisernen Faden zu verbinden, der sich nicht durchtrennen lässt – einem unsichtbaren Draht, an den sie sich immer klammern kann.
Allmählich vergisst sie die Kapuzenmänner, den Geruch und das Licht der Kerzen, die Kälte des Steinbodens, ihre Bauchkrämpfe und die brennende Magensäure, die ihr immer wieder die Speiseröhre hochsteigt. Sie vergisst sogar den Raum um sich herum. Mehr als alles andere versucht sie diesen Raum auszublenden. Sie ist nirgendwo. Sie ist in der sicheren Dunkelheit ihrer Träume.
Caitlyn spürt ein schmerzhaftes Ziehen in den Beinen. Ihre Kraft lässt nach. Sie hat das Gefühl zu fallen. Nach hinten zu kippen. Die Kapuzenmänner stürzen sich auf sie wie eine Hundemeute. Sie reißen sie hoch und zerren sie zum Reinigungsbereich, wo sie sie in das dampfende Wasser stoßen. Sie sehen zu, wie sie sich wäscht und wieder anzieht. Dann bringen sie sie zurück in ihre Zelle.
Zurück in den Raum ohne Raum.
Zurück in ihren Albtraum.
96
Wie zwei schwarze, flatternde Blitze erheben sich die beiden Vögel in den bleichen Himmel über den öden Feldern. Binnen Sekunden ist von ihnen nichts mehr zu sehen, nicht einmal ferne Punkte am Horizont. Tarquin de Wale studiert das auf seinem Laptop installierte Satellitennavigationssystem. Auf dem Bildschirm kann er verfolgen, wie sich ihre Fluglinien in eine knallblaue Ferne bewegen. »Ganz schön schnell, was?«
»Und wenn sie nicht zurückkommen?«, gibt Jimmy zu bedenken. »Dann können Sie den Rest Ihres Lebens hinter ihnen herjagen.«
»Geier sind nicht für weite Flüge geschaffen«, entgegnet der alte Exzentriker, ohne den Blick vom Computerbildschirm abzuwenden. »Sie sind faule Aasfresser, die sich hauptsächlich von der Thermik tragen lassen. So lange, bis ihnen der Geruch von Nahrung in die Nase steigt, und dann,
wusch
.« Er klatscht die Handflächen zusammen. »Außerdem ist Wiltshire der einzige Lebensraum, den sie kennen. Sie fühlen sich inzwischen hier zu Hause.«
»Die Armee führt in der Gegend viele Manöver durch. Hoffentlich werden sie nicht abgeschossen.«
»Keine Sorge! Da sind sie schon!«, ruft de Wale aufgeregt.
Die Geier stoßen über dem Land Rover herab und lassen sich etwa zweihundert Meter von den Männern entfernt auf dem Feld nieder. Sofort beginnen sie im Boden herumzuscharren. Sichtlich konzentriert, flattern sie hoch, um gleich daneben wieder zu landen und erneut in der Erde zu scharren. Der kleinere von beiden neigt sich zur Seite und hämmert seinen Schnabel in Erdrillen, die nur etwa zweihundert Meter von den verkohlten Überresten der Scheune entfernt sind.
Jimmy sieht mit gemischten Gefühlen zu. Er hatte sich mehr erhofft. Eine spektakuläre Show, wie Spürhunde sie zum Besten geben, wenn sie plötzlich halb durchdrehen und wimmernd zu graben anfangen, als versuchten sie eine Abkürzung nach Australien zu finden. Die Geier aber liefern ihm keine solche Show. Fast eine Stunde lang scharren sie faul in der Erde herum und machen keinerlei Anstalten, das Feld zu verlassen, das sich von der ausgebrannten Scheune bis zur Straße erstreckt. Jimmy ist ziemlich enttäuscht. Er wirft einen Blick auf die Uhr. »Lassen Sie uns die Sache abbrechen. Einen Versuch war es wert.«
»Ich locke sie mit einem Leckerbissen«, erklärt de Wale.
»Ja, gut.« Während der Herr der Geier ein paar tote Mäuse aus einer Sandwich-Box holt, wirft Jimmy einen Blick auf den Bildschirm. Der
Weitere Kostenlose Bücher