Das Stonehenge - Ritual
Großen Gewölbe, damit sie ihre Plätze im Heiligtum einnehmen können.«
»Er hat den
Ort
für das Ritual gewechselt?«
»Genau. Seiner Meinung nach ist es sicherer, die Zeremonie hier stattfinden zu lassen, statt draußen im Freien.
»Und das lässt sich mit der Tradition vereinbaren?«
»Durchaus. Der Steinkreis im Großen Gewölbe stammt aus demselben Tabernakelstein wie der öffentlich zur Schau gestellte Kreis. In vielerlei Hinsicht ist es sogar ein noch heiligerer Ort.«
Gideon begreift, was dieser Ortswechsel bedeutet. Sie werden Caitlyn nicht nach draußen bringen. Er wird keine Gelegenheit bekommen, ihr zur Flucht zu verhelfen. Er tritt vor die Tür und späht durch die Gitterstäbe zu ihr hinein. Sie wird nur wenige Schritte von hier entfernt den Tod erleiden.
»Ich möchte meinen Vater sehen. Ich muss mit ihm sprechen.« Er versucht sich an Draco vorbeizuschieben.
Draco versperrt ihm den Weg. »Das ist nicht möglich.«
»Ich muss.«
»Ich habe gesagt, es ist
nicht
möglich.« Seine Augen werden schmal. »Der Meister hat ausdrücklich gesagt, dass er nicht gestört werden will. Die Dämmerung ist bereits angebrochen. Das Ritual hat begonnen.«
Gideon wird in die Zelle zurückverfrachtet und die Tür abgesperrt. Caitlyn sitzt auf ihrer Schlafstatt. Ihr Haar ist noch feucht, und sie hält das Zeremoniengewand verlegen hinter dem Körper zusammen. Es ist an der Rückseite geschlitzt, damit das Steinmesser auf die nackte Haut treffen kann. Gideon löst die Schnur von seiner Taille und reicht sie ihr. »Hier, nimm das. Damit kannst du das Gewand zusammenhalten.«
Sie greift danach und unterdrückt ein Schluchzen. »Das ist albern von mir, oder? Ich soll gleich getötet werden und mache mir Gedanken darüber, dass jemand meinen Hintern sehen könnte.«
Er versteht ihr Bedürfnis, ein gewisses Maß an Selbstachtung und Würde zu wahren. »Nein, das ist ganz und gar nicht albern, sondern ein Zeichen von Würde.«
Caitlyn blickt zur Tür. Sie kann vor Angst kaum sprechen. »Was geht da draußen vor?«
»Sie werden das Ritual hier abhalten, nicht in Stonehenge.« Er wünschte, er hätte bessere Neuigkeiten für sie.
Aus ihrem Gesicht spricht eine tiefe Traurigkeit. Sie wirkt völlig am Ende. »Kannst du mich einen Moment halten? Ich habe das Gefühl, mich in sämtliche Einzelteile aufzulösen.«
Gideon setzt sich neben sie. Sie schlingt die Arme um seine Taille und lässt den Kopf auf seine Schulter sinken. Es tut ihr gut, seine tröstliche Nähe zu spüren – sich an jemanden zu klammern, der ihr nichts Böses will.
»Hey!« Einer von den Spähern rüttelt an der Zellentür. »Lass das sein! Weg von ihr!«
Gideon wirft dem Mann einen vernichtenden Blick zu. Glaubt dieser Idiot allen Ernstes, dass er vorhat, mit ihr zu schlafen? Für wie dumm hält er ihn eigentlich? Gideon weiß genauso gut wie alle anderen, dass ein unreines Opfer für niemanden von Nutzen ist.
Für niemanden von Nutzen.
Warum ist er nicht schon viel früher darauf gekommen?
Vielleicht kann er sie doch noch retten.
169
Der Henge-Meister trägt anlässlich der Zeremonie ein besonderes Sackleinengewand, das mit einer althergebrachten Mischung aus Roter Bete, Ackerröte und Virginischer Traubenkirsche rot eingefärbt wurde.
Die Geheiligten befinden sich in ihren Tabernakeln. Spezielle, dem Heiligtum vorbehaltene Lichter – bunte Glasröhren mit weißen Kerzen – sind in regelmäßigen Abständen rund um den Steinkreis aufgestellt und bereits entzündet.
Durch den Sternschacht sieht der Meister die Farbe des Himmels.
Die Dämmerung ist nur noch ein Augenzwinkern entfernt.
Der Meister fühlt sich erschöpft. Die anstrengende Aufgabe, die Geheiligten ins Heiligtum zu befördern, hat ihn müde gemacht. Aber er wird nicht scheitern.
Zur Vorbereitung der Zeremonie hält er ein steinernes Weihwassergefäß hoch, das mit Wasser von den Geheiligten gefüllt ist, und sprenkelt damit eine göttliche Linie vom Altarstein innerhalb des Hufeisens aus Trilithen hinaus durch die östlichen Bogen der Sarsensteine und von dort weiter über den Schlachtstein zum Fersenstein.
Aus einer Tasche in seinem Gewand zieht er das steinerne Zeremonienmesser und blickt auf den Block hinunter, auf dem das Opfer für die Zeremonie liegen werden wird. Fünf Schnitte werden es sein, einer für jeden der mächtigen Trilithen, in denen die führenden Götter wohnen, die Götter des Mondes, der Sterne, der Sonne, der Erde und des Lebens nach dem
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