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Das Stonehenge - Ritual

Das Stonehenge - Ritual

Titel: Das Stonehenge - Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Christer
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Portalgräber im Everstorfer Forst. Tausende von Menhiren – aufgerichtete Langsteine, die von der Bretagne bis nach Südfrankreich verteilt sind – stellen Hinweise auf die Verbindungen dar, die jene Baumeister knüpften. Ebenso die Dolmen, die Portalsteine und die Gräber an der Loire. Nicht zu vergessen
Carnac und Goseck!
«
    Diese Namen zaubern das breiteste und glücklichste Lächeln auf Nathaniels Gesicht, an das Gideon sich erinnern kann. Die alte Filmkamara zoomt in die Ferne, und sein Vater wendet sich den hinter ihm liegenden Steinen zu, die nun in weiter Panorama-Aufnahme zu sehen sind: »Archäologen sprechen im Zusammenhang mit diesen Orten vom französischen beziehungsweise deutschen Stonehenge. Carnac trägt den gleichen Namen wie Karnak, der berühmte ägyptische Tempelkomplex, der die größte antike Religionsstätte der Welt darstellt und dessen Bau viereinhalbtausend Jahre vor Christi Geburt begann. Wie Stonehenge wurde diese Stätte in zwei Etappen errichtet und befindet sich – faszinierenderweise – auf dem einzigen Breitengrad der Erde, an dem die Sonnenwende, sowohl im Sommer als auch im Winter, ein vollkommenes pythagoreisches Dreieck in Relation zur Parallele der geographischen Breite bildet. In Goseck dagegen finden sich Hinweise darauf, dass sich dort einmal ein kreisförmiges Sonnenobservatorium mit dazugehörigem Tempel befand – eine Anlage, die möglicherweise bereits siebentausend Jahre vor Christus entstand. Dieses dreitorige, archäoastronomische Wunder wurde nicht zufällig in dieser Form gebaut, sondern war das Werk globaler Visionäre – das Werk der Götter.«
    Nach einer kurzen Pause – vermutlich einem Schnitt – wird das Bild etwas schärfer und zeigt seinen Vater, wiedergeboren als jüngerer Mann, der gerade selbstbewusst vom Podium eines Vortragssaals herunterspricht. »Stonehenge ist ein Wunder der antiken Welt. Es heute mit all unserer Technik und unserem mathematischen Wissen zu bauen wäre durchaus eine beeindruckende Leistung. Dass mit dem Bau aber schon vor fünftausend Jahren begonnen wurde – ohne Computer, CAD -Lösungen, Krane, Lkws und Lastkähne für den Transport jener Monolithen – ist mehr als ein Wunder.«
    Gideon fühlt sich bereits gelangweilt. Seine ganze Kindheit über hat er immer wieder die unsinnigsten Theorien über Stonehenge mitbekommen: Ein Tempel sei es gewesen, eine Grabstätte für Könige der Antike, das erste astronomische Observatorium der Welt, eine kosmische Verbindung zu den Pyramiden in Ägypten, oder – noch dämlicher – die Geburtsstätte der Druiden.
    Er schaltet den Film aus und setzt den alten Videorecorder in Gang. Klickend und knarrend beginnen sich die alten mechanischen Köpfe zu drehen und bekommen ein noch im Gerät befindliches Band zu fassen. Eine große Nahaufnahme von einem schönen Frauengesicht erscheint auf dem Bildschirm – schön genug, um ihm die Luft aus den Lungen zu saugen.
    Seine Mutter.
    Lachend und sichtlich verlegen, weil sie gefilmt wird, versucht sie ihr Gesicht mit der Hand abzuschirmen. Gideon findet den Knopf für die Lautstärke.
    »Schalt das aus, Nate! Ich hasse dieses Ding,
bitte
schalte es aus!«
    Ihre Stimme lässt ihn zittern. Er kann nicht anders, als nach vorne zum Fernseher zu gehen und die Finger auf den Bildschirm zu legen.
    »Nate. Jetzt reicht es aber!«
    Das Bildfeld wird größer. Marie Chase sitzt in Venedig in einer Gondel. Hinter ihr leuchtet ein kornblumenblauer Himmel. Sie wendet das Gesicht von der Kamera ab und tut so, als wäre sie verärgert über ihren Mann. Ihr Haar ist dunkel, lang und dicht, es hat genau dieselbe Struktur wie das von Gideon. Ein leichter Sommerwind lässt es auf ihren Schultern tanzen. Im Hintergrund wird der Markusdom immer kleiner und scheint dabei leicht auf und ab zu wippen, während der mit einem gestreiften Hemd bekleidete Bootsführer sie über die Lagune rudert. Der Aufnahmewinkel ist nun so, dass Gideon genau erkennen kann, dass seine Mutter schwanger ist.
    Er hält das Band an und blickt zu den mit weiteren Videos gefüllten Regalfächern hinüber. Er ist sich sicher, dass es sich dabei nicht um lauter Aufzeichnungen familiären Glücks handelt. Bestimmt hat sich sein Vater nur deswegen als Letztes seine Mutter angesehen, weil er sich an glücklichere Zeiten erinnern wollte, vermutlich die glücklichsten seines Lebens. Das machen die Menschen oft, wenn sie gerade schlimme Zeiten durchleben oder gar die schlimmsten ihres

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