Das Stonehenge - Ritual
übernimmt dann offiziell die Leitung der Ermittlungen. John wird sie über den jeweiligen Stand der Dinge auf dem Laufenden halten, und ich halte John auf dem Laufenden. Ich möchte, dass Sie die Pathologin aufsuchen und sich von ihr über die Umstände von Timberlands Tod aufklären lassen. Sobald ich Ihren Bericht vorliegen habe, sind Sie raus aus dem Fall.«
Megan starrt sie verblüfft an.
»Was?«
»Sie wollten wohl sagen:
Wie bitte, Ma’am?
«
»Aber Rowlands war doch der Meinung, ich hätte meine Arbeit gut gemacht.«
»Sie haben in der Tat gute Arbeit geleistet. Bis zu dem Zeitpunkt, als Sie plötzlich den Wunsch verspürten, im Rampenlicht zu tanzen. Und jetzt hätte ich gern, dass Sie losziehen und meine Anweisungen ausführen, statt sie in Frage zu stellen. Jimmy Dockery wird auch von dem Fall abgezogen, Warren und Jenkins bleiben im Team.«
Megan bringt ein höfliches Nicken zustande, bevor sie sich abwendet und lautlos einen Strom von Obszönitäten ausstößt, der erst versiegt, als sie wieder die Räume der Kripo betritt.
Jimmy Dockery ruft von seinem Schreibtisch zu ihr hinüber: »Boss, …«
Sie lässt ihn nicht ausreden. »Nehmen Sie Ihren Mantel, Jimmy. Wir sind raus aus dem Fall. Aber vorher haben wir noch etwas zu erledigen.« Mit diesen Worten reißt sie ihre Jacke von der Rückenlehne eines Stuhls und greift zornig nach ihrem Autoschlüssel.
74
Serpens bricht allmählich zusammen.
Die Schuldgefühle werden unerträglich. Unablässig blitzen vor seinem geistigen Auge Bilder auf. Der junge Mann im Schlachthof, verstümmelt und durch den Fleischwolf gedreht. Die wodkagetränkte Leiche in der Scheune, samt dem Campingbus in Brand gesteckt. Serpens bekommt das alles nicht mehr aus dem Kopf.
Obwohl für die Sicherheitsfirma, bei der er beschäftigt ist, gerade die hektischste Zeit des Jahres anbricht, meldet er sich krank. Mit brummendem Schädel setzt er sich in den alten Mitsubishi und gibt Vollgas. Er muss einfach weg von hier, ein wenig Abstand zu alledem gewinnen. Ein wenig Frieden finden.
Eine Stunde später ist er in Bath – der saubergeschrubbten Touristenstadt, in der er als Kind immer in den Ferien war. Weshalb er mit diesem Ort nur schöne Erinnerungen verbindet. Vielleicht reicht das aus. Vielleicht kann er hier mit sich ins Reine kommen.
Er parkt am Southgate Centre und kauft sich einen Sixpack Lager und einen halben Liter Scotch. Weise alte Ortsansässige mustern ihn mit nüchternem Blick, während er trinkend vorbeiwandert. Bis er die Grand Parade und die Boat Stall Lane umrundet hat, ist das Bier bereits alle. Er erleichtert sich in einem Gebüsch hinter Orange Grove und schlendert dann in Richtung Osten, aufs Flussufer zu.
Dort angekommen, ruht er sich im kühlen Schatten eines Baumes aus. Den Rücken gegen den Stamm gelehnt, schließt er die Augen. Sofort bildet sich in seinem Kopf ein monströses Mosaik aus Geräuschen und Bildern. Er hört wieder das hohle Geräusch der rollenden Flasche, die Musca in den Campingbus geworfen hatte, das raue Kratzen eines Streichholzes, und dann den dumpfen Knall der Explosion, die sein Herz erschütterte. In seiner Erinnerung sieht er den Feuerball, der mit lautem Getöse durch den Bus schoss und die trockenen Dachsparren der Scheune zum Splittern brachte.
Serpens schraubt den Deckel der Scotchflasche ab und nimmt einen Schluck, der genauso heiß brennt wie die Flammen, die ihn verfolgen. Je stärker das Zeug brennt, desto besser. In schmerzhaften Schlucken presst er es hinunter. Er hat den jungen Mann getötet. Ihm mit einem Felsbrocken den Schädel eingeschlagen und seinem Leben ein Ende gesetzt. Eben ist der arme Tropf noch ganz obenauf und macht mit seinem Mädchen herum, und dann, zack, ist er plötzlich tot, und seine Leiche kurz davor, zu Asche verbrannt zu werden.
Serpens’ Handy klingelt. Das Läuten erschreckt ihn nicht, es geht schon den ganzen Morgen so. Er weiß, wer das ist und was sie wollen. Entschlossen zieht er das Telefon aus der Tasche und schleudert es in den Fluss.
Platsch
. Das erste Mal seit Tagen muss er grinsen. Er nimmt einen weiteren Schluck von dem Feuerwasser und bekommt prompt einen Hustenanfall. Anscheinend hat er das Zeug in den falschen Hals bekommen. Fast erstickt er daran. Ertränkt mit Scotch. Wäre das nicht eine sehr passende Art, das Ganze zu beenden?
Ein paar lärmende Kinder stürmen an ihm vorbei. Ein rotgesichtiger Junge jagt ein älteres Mädchen, das sich über ihn lustig macht.
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