Das Stonehenge - Ritual
Sie haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Mühsam richtet er sich auf und beobachtet, wie die Kinder kichernd einen Baum umrunden und dann zurück zu einer karierten Picknickdecke rennen, wo eine Frau gerade in Frischhaltefolie verpackte Sandwiches und Limonadedosen auspackt. Für ihn inzwischen eine völlig fremde Welt.
Serpens trinkt noch mehr von dem Whisky. Er schüttet ihn die Kehle hinunter, bis sich die Flüssigkeit schließlich aufstaut wie Wasser in einem verstopften Abfluss. Dann lässt er die Flasche auf das spärliche Gras zu seinen Füßen fallen, breitet die Arme weit aus und stürzt wie ein gefällter Baum in die starke Strömung des Avon.
75
Im gnadenlos grellen Licht der Autopsielampen sieht die Leiche von Jake Timerland noch schlimmer aus, als Jimmy Dockery sie in Erinnerung hat. Was von dem rußgeschwärzten und durch die Explosion verstümmelten Leichnam noch übrig ist, liegt aufgeschnitten vor ihnen. Die inneren Organe wurden bereits entnommen und gewogen.
Professor Lisa Hamilton kann die Gedanken der beiden ihr gegenüberstehenden Detectives lesen. »Ihn hat weder das Feuer noch die Explosion getötet. Durch die Druckwelle wurde ein Teil des Feuers im Inneren des Busses erstickt, so dass genügend brauchbare Gewebeproben, Organe und Körperflüssigkeiten zur Verfügung standen, um nachzuweisen, dass er schon etwa zehn Stunden auf der linken Seite gelegen hatte, ehe seine Leiche verbrannt wurde.«
Megan ist nicht sicher, ob sie richtig gehört hat. »Zehn Stunden?«
»In etwa.« Lisa erläutert ihre Schätzung. »Nach dem Tod übernimmt die Schwerkraft die Regie. Das Blut wird nicht mehr vom Herzen durch den Körper gepumpt, sondern sackt nach unten und verursacht dabei die sogenannten Livores, auch Leichenflecken genannt.« Sie deutet auf den vor ihnen liegenden Leichnam. »Nachdem sein Herz zu schlagen aufgehört hatte, dauerte es eine ganze Weile, bis er wieder bewegt wurde. Das wissen wir aufgrund des Ausmaßes und der Lage besagter Flecken. Dann veränderte jemand die Körperhaltung, in der man die Leiche ursprünglich hatte liegen lassen, und brachte sie in eine Position, die den Anschein erwecken sollte, als wäre der Mann durch einen Unfall ums Leben gekommen. Dummerweise legten ihn die Betreffenden auf die falsche Seite, nämlich die rechte, wobei sie den Rücken ein wenig höher lagerten als die Beine – was sich mit meinen auf den Leichenflecken basierenden Erkenntnissen hinsichtlich des Todeszeitpunkts überhaupt nicht vereinbaren lässt.«
Sie geht um den Obduziertisch herum und schiebt eine Hand unter Jakes grauen Torso. »Die Todesursache war ein massiver Herzinfarkt, ausgelöst durch einen einmaligen heftigen Schlag gegen den Hinterkopf, vermutlich mit einer Art improvisierter Waffe. Am Schädelknochen habe ich Partikel von Erde und ziemlich kompaktem Stein oder Felsen gefunden.«
Jimmy versucht sich die Szene bildlich vorzustellen. »Er bekommt also irgendwo draußen im Freien einen Schlag auf den Hinterkopf, wird dann zurück in seinen Campingbus gezerrt und neben dem Herd auf dem Boden drapiert. Der Täter setzt den Bus in Brand, um es so aussehen zu lassen, als wäre unser Freund hier im Suff gestürzt und selbst die Ursache des Brandes gewesen.«
Lisa nickt. »Fast. Vergesst nicht, dass sein Leichnam linksseitig besagte Flecken aufwies, weil er vorher zehn Stunden lang auf der Seite gelegen hatte.«
Megan versteht, worauf sie hinauswill. »Demnach mussten also diejenigen, die ihn getötet haben, erst einmal zehn Stunden überlegen, wie sie weiter vorgehen wollten. Bis sie am Ende auf die Idee kamen, den Bus in die Scheune zu fahren, den Toten so zu platzieren, dass es aussah, als wäre er gestürzt, und dann alles abzufackeln.«
»Genau. Noch etwas: Obwohl die Spurensicherung zwei leere Wodkaflaschen in der Nähe der Leiche gefunden hat, gab es in seinem Körper keine Spuren von metabolisiertem Alkohol. Sein Blut wies zwar winzige Mengen von Äthanol auf, aber seine Leber war vollkommen sauber. Hätte er tatsächlich große Mengen Alkohol konsumiert, sähe das völlig anders aus.« Jimmy macht Anstalten, eine Frage zu stellen, aber Lisa lässt sich nicht unterbrechen. »Die Untersuchung des Lungengewebes ergab keinerlei Hinweise auf eingeatmeten Rauch. Keine Rußpartikel, keine Gewebeschäden. Nichts. Er hatte definitiv schon zu atmen aufgehört, bevor das Feuer ausbrach.«
»Die ganze Sache war inszeniert«, folgert Megan. »Ehre, wem Ehre gebührt, Jimmy, es
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