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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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war heilig.
      Sie hielt sich im Rose's und im Brown Cow zurück, stellte jedoch fest, dass sie jetzt, da sie ihren Mann in greifbarer Nähe hatte, seine gedrungene, dunkle Gestalt sogar vom Wald über der Fabrik aus erkennen konnte. Am Fuße der Sozialsiedlung entdeckte sie einen weiteren Pub, den Merry Monk, und fand heraus, dass sie von einem der kleinen Fenster in einer dunklen Ecke des Lokals über das Brachland bis direkt zu seinem Haus am Ende der Reihe blicken konnte. Wie sie erwartet hatte, kam und ging er zu unregelmäßigen Zeiten, und soweit sie feststellen konnte, lebte er allein. Sie würde ihre Gelegenheit erkennen müssen, wenn sie sich ergab, und ohne Zögern zuschlagen.
      Vor allem wollte sie, dass er wusste, dass sie ihn gefunden hatte. Wenn sie ihn schließlich in den Tod lockte, sollte er wissen, wer es tat und warum. Er würde danach fragen. Doch durfte sie sich nicht unnötig in Gefahr begeben. Zudem benötigte sie mehr Gewissheit, auch wenn sie sich diesmal sicher war. Sie brauchte einen Beweis. Wenn sie in der Gegend einen weiteren unschuldigen Mann tötete oder verletzte, lagen ihre Erfolgsaussichten praktisch bei null. Während sie ihn beobachtete, begann sie langsam einen Plan zu schmieden.
      Um fünf nach halb sechs an ihrem zweiten Tag der Rundumüberwachung stieß sie auf dem Rückweg von Rose's Café in die Stadt fast mit ihm zusammen. Er ging in die entgegengesetzte Richtung, zur Fabrik. Sie wandte ihr Gesicht ab, doch für einen Augenblick hätte sie schwören können, dass er sie bemerkt hatte. Er wusste zwar nicht, wer sie war - diese Art des Wiedererkennens hätte sie wie ein elektrischer Schock durchzuckt -, doch vielleicht hatte er sie mit der Frau in Verbindung gebracht, die er neulich im Zeitungsladen gesehen hatte. Bedachte man jedoch, mit wem sie es zu tun hatte, konnte es auch sein, dass er jede Frau so anschaute. Sue eilte mit gesenktem Kopf weiter und blieb erst stehen, als sie das Ende der Straße erreicht hatte. Von dort, versteckt hinter der Wand des Eckhauses, sah sie ihn in der Ferne vor den Laderampen stehen und mit einem Mann in einem weißen Kittel und mit Filzhut reden, wahrscheinlich ein Vorarbeiter, der ihm ein paar Papiere gab. Ihr Mann stieg in seinen Transporter und fuhr los.
      Sue ging die Straße weiter. Sie war noch nicht weit gekommen, als er an ihr vorbeifuhr und dann nach rechts abzweigte, zur Kreuzung mit der Hauptstraße nach Scarborough. Das musste natürlich nicht bedeuten, dass er auch nach Scarborough wollte, denn es war eine der wenigen Strecken stadtauswärts und führte gleichzeitig nach York oder in die Gegend von Leeds. Doch eines stand fest: Er war beruflich unterwegs und würde eine Weile nicht zu Hause sein. Sue lief hinab zur Hauptstraße, doch er war nicht mehr in Sichtweite. Auf dem Bürgersteig ging sie ein Stückchen nach Norden und kehrte dann über den Feldweg zurück, der einen Bogen machte und schließlich hinter seinem Haus endete.
      Als sie sich dem Haus näherte, pochte ihr Herz. Da sie über das Brachland gekommen war, konnte sie von keinem der anderen Häuser aus beobachtet worden sein. Glücklicherweise standen zudem auf der anderen Seite keine Gebäude, dort führte nur das überwucherte Gelände hinauf zur Sozialsiedlung. Von dem kleinen Fenster im Pub könnte sie zwar gesehen werden, doch für die Trinker war es noch zu früh am Abend, und es gab keinen Grund, warum sich jemand, der im Merry Monk ein Bier trinken und sich unterhalten wollte, die Mühe machen sollte, gerade aus diesem Fenster zu schauen, besonders da man dafür die Gardine ein wenig zur Seite ziehen musste. Und selbst wenn es jemand tat, wusste er nicht, was seine Beobachtung bedeutete.
      Sie hatte daran gedacht, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten, doch dann hätte sie eine Taschenlampe benötigt, was auf lange Sicht das Risiko erhöhen würde, gesehen zu werden. Nein, so war es besser: Jetzt waren die meisten Leute ohnehin damit beschäftigt, das Abendessen zuzubereiten. Ihr war bereits aufgefallen, dass er seine Vorhänge immer zugezogen hatte, wenn er unterwegs war, durch die würde sie niemand sehen, der zufällig vorbeiging, dennoch drang genug Licht hindurch, dass sie die Wohnung durchsuchen konnte.
      Auf der dem Brachland zugewandten Seite des Hauses gab es nur ein kleines Fenster, und das war so hoch in der Mauer, dass sie nicht herankam. Ein Küchenanbau an der Rückseite, der sie auch vor den Blicken der Nachbarn

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