Das Südsee-Virus
der Bevölkerung reagiert. Baumfrevel, illegale Schlachtung, Autofahren, Tierhaltung etc. Jedes Fahrzeug der Grünhelme ist beständiger Onlinepartner des Schutztruppenministeriums. Die Soldaten selbst sind zu willfährigen Befehlsempfängern degradiert worden. Mit dem elektronischen Einsatzbefehl wird der sogenannte Aggressorchip aktiviert, der ihnen unter die Haut gepflanzt wurde. Damit reagieren sie wie Maschinen, die auf Knopfdruck wieder zu Menschen werden. Sagt Green. So ganz würde ich das nicht von der Hand weisen …«
Cording hatte kaum noch ein Ohr für Knowles, der nicht zu bemerken schien, was sich um sie herum abspielte. Auf jeder Seite des rechteckigen Platzes waren offene Armeelaster vorgefahren. Die Menschen, die eben noch phlegmatisch ihrer Wege gegangen waren, liefen plötzlich aufgescheucht durcheinander. Einige versuchten durch die Rosenbüsche in die Nebenstraßen zu entkommen, wurden aber von den Soldaten abgefangen und auf die Lkws getrieben. Innerhalb weniger Minuten war der Union Square menschenleer, nur Cording und Knowles waren übrig geblieben. Sie hatten einem Offizier ihre Bluecard gezeigt, die Gäste bekamen, die auf Einladung des Rates in der Republik weilten.
»Was war das?!«, fragte Cording, dem der Schreck noch in den Gliedern saß. »Wo bringen sie die Menschen hin?«
»Wir sind Zeuge einer Erziehungsrazzia geworden«, sagte Knowles. »Julien Green behauptet, dass die Grünhelme das Recht haben, jeden Bürger jederzeit zu verhaften, um ihn einer sogenannten Erziehungslektion zuzuführen. Sieht aus, als läge er gar nicht so verkehrt damit … Orte solcher Lektionen sind ehemalige Schlachthöfe, Zoos und Versuchslabore. Anhand von Videoinstallationen dürfen die Menschen vor Ort nachvollziehen, was ihre Rasse den Tieren angetan hat und außerhalb dieses Staates immer noch antut. Ich stell mir das sehr beeindruckend vor …«
Als die URP-Vorsitzende an der Seite der Informationsministerindas Konferenzzimmer der Universität von Eugene betrat, erhoben sich die zwölf Mitglieder des Ökorats von ihren Sitzen. Maeva bedankte sich für den freundlichen Empfang und nahm den für sie reservierten Platz an der Stirnseite der ovalen Tafel ein. Nachdem die Damen und Herren sich vorgestellt und ihre Verantwortungsbereiche definiert hatten, erlaubte sich Tanith Agosta den Hinweis, dass es bisher noch keinem Staatsgast vergönnt gewesen sei, die Identität der Ratsmitglieder in Erfahrung zu bringen. Mit der heutigen Ausnahme wollte die Runde ihren Respekt vor der Leistung Maevas bekunden, die mit Mut, Ausdauer und Vehemenz für die gleichen Ziele kämpfte wie man selbst. Weshalb der Rat der Republik einstimmig beschlossen habe, ECOCA in den Verbund der URP zu integrieren.
Maeva fühlte sich düpiert. Der Rat konnte beschließen, was er wollte – ob es zu einer Mitgliedschaft in den URP kam, entschieden allein die Gremien ihrer Organisation. Und nach allem, was sie hier in Erfahrung gebracht hatte, würden diese bestimmt anders votieren. Sie hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Dabei verschaffte ihr ausgerechnet ein Vorschlag der Informationsministerin Luft, die dafür plädierte, erst einmal den strittig gebliebenen Tagesordnungspunkt von gestern zu klären, was dem Gast zugleich Gelegenheit gäbe, sich einen Eindruck von der hiesigen Debattenkultur zu verschaffen. Soweit Maeva es verstand, ging es darum, ob die Ergebnisse der einjährigen Testphase, die mit einer Spezialeinheit durchgeführt worden war, ausreichten, um nun alle Soldaten der Schutztruppen mit dem elektronischen Chip auszurüsten. Sie wusste zwar nicht, um was für einen Chip es sich handelte, aber die Heftigkeit der Auseinandersetzung ließ auf ein höchst umstrittenes Projekt schließen.
Eric Sears, ein ehemaliger Harvardprofessor und Leiter des Entsorgungsministeriums (Atom- und Chemieabfälle), war das verbissene Ringen um die besseren Argumente als Erster leid. »Wir sind alle ein bisschen müde geworden an unserer Aufgabe«, sagte er und wanderte im Rücken der Kollegen um den Konferenztisch. »Es ist völlig normal, wenn der eine oder andere angesichts der Maßnahmen, zu denen wir qua Faktenlage gezwungen werden, gelegentlich Skrupel empfindet. Das ändert jedoch nichts daran, dass wir nach wie vor nur einem Ziel verpflichtet sind: nämlich sicherzustellen, dass der Weg in eine tiefenökologische Gesellschaft nicht durch jene blockiert wird, die zu schwach sind, ihn zu gehen. Um diese Kräfte aufzuspüren und
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