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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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vor einem Jahr auf. Sie müssten sich eigentlich erinnern. Er behauptete, Mitglied des Ökorats von ECOCA gewesen zu sein und über wichtige geheime Informationen zu verfügen. Damals hat ihm das niemand abgekauft, zumal der Ökostaat völlig unaufgeregt dementierte. Der Mann hatte keine Papiere und machte einen ziemlich verstörten Eindruck. Julien Green, Cording! Klingelt’s? Mein Gott, haben Sie überhaupt noch etwas mitgekriegt auf Tahiti? Na seien Sie froh … Also: Als die ›New York Times‹ sich geweigert hatte, seine Anschuldigungen zu drucken, ist er durchgedreht. Er hat den Redaktionsbetrieb quasi im Alleingang lahmgelegt. Vierzehn Tage lang. Durch Bombendrohungen! Den Rest seiner Zeit verbrachte er in der Klapsmühle. Dort hat er an einem Buch gearbeitet. Titel: SECRETS – aus dem Innenleben einer Ökodiktatur. Sind nur vierundsiebzig Seiten geworden – er starb während der Schreibarbeiten. Die Umstände seines Todes wurden nie geklärt. SECRETS. Ich hatte die Gelegenheit, das Manuskript einzusehen. Interessant. Bar jedes Beweises, aber interessant …«
    Knowles zog sich die Jacke über. »Ich brauche dringend frische Luft«, sagte er und hielt sich nacheinander Mund, Ohren und Augen zu, womit er andeuten wollte, dass ihr Zimmer total verwanzt war, was Cording lächerlich fand. Dennoch folgte er dem Amerikaner die Geary Street hinunter zum Union Square, wo sie sich in der Nähe des großen Springbrunnens auf eine Bank setzten. »Wasserrauschen ist gut«, sagte Knowles, »das Geräusch ist Gift für Richtmikrofone.«
    Cording war nicht sicher, was er von Knowles’ paranoidem Gebaren halten sollte. »Okay, John«, sagte er, nachdem sie einige Zeit geschwiegen hatten, »schießen Sie los, hört uns ja keiner.«
    »Die Leute! Fällt Ihnen an ihnen etwas auf, Cording? Schauen Sie genau hin …«
    Was sollte sein? Na ja, allzu fröhlich sahen sie nicht aus. Es war ein milder, sonniger Tag, da hätte sich der ein oder andere ruhig ein Lächeln abringen dürfen. Auffallend auch, dass sie alle in einem ähnlich schleppenden Tempo unterwegs waren.
    »Lethargisch …«, hörte er Knowles sagen. »Die Menschen in ECOCA sind von der Lethargie befallen wie von einer unheilbaren Krankheit … Das liegt an den vegetarischen Grundnahrungsmitteln, die ihnen hier kostenlos verabreicht werden. Jedenfalls behauptet Julien Green das.«
    Auf einer gigantischen Videotafel, die an einem leer stehenden Hochhaus des ehemaligen Financial District installiert war, liefen die zehn Grundgesetze ab wie der Rolltitel eines Hollywood-Blockbusters.
    »Genmanipulationen an Pflanzen, Tieren oder Menschen sind verboten«, las Knowles laut mit. »Sehr lobenswert, finden Sie nicht? Wissen Sie, was Green behauptet? Aufgrund der extremen Bodenverseuchung in ECOCA ist die Ernährungslage derart prekär, dass sich der Staat selbst gezwungen sah, dieses Gesetz zu brechen. Das Plasma, welches einen wesentlichen Bestandteil der vegetarischen Grundnahrung darstellt, besteht aus Single-Cell-Proteinen, ein durch genmanipulierte Mikroben entstandenes Eiweiß. Es wird fabrikmäßig hergestellt. An geheimen Orten. Seine Nebenwirkungen sind nie erforscht worden, werden aber bewusst in Kauf genommen. Welches diktatorische Regime hätte ernsthaft etwas einzuwenden gegen lethargische Untertanen?«
    Cording fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Die Gesichter der Vorbeiziehenden schienen sich plötzlich auf fatale Weise ähnlich zu werden, als würde von unsichtbarer Hand die Folie des Gleichmuts über sie gezogen. Gequält lächelte er einer jungen Frau zu, die ihre Hände im Feinstaub der Fontäne kühlte. Sie lächelte zurück.
    »Wissen Sie, was ich glaube, John«, sagte er sichtlich erleichtert, »ich glaube, dass Julien Green nicht zu Unrecht in der Klapsmühle gelandet ist.«
    Knowles’ Augen glitten prüfend über Cordings Gesicht. »Ich stelle mir gerade vor«, sagte er, »wie verrückt Sie wohl geworden wären, wenn Sie über derartige Kenntnisse verfügt hätten … Über die Schutztruppen dieses Staates zum Beispiel. Drei Millionen Mann sollen es sein, nicht schlecht für ein kleines, elitäres Ökoparadies. Laut Green gibt es vier Divisionen mit unterschiedlicher Aufgabenstellung: die Energiepolizei, die Pflanzen- und Tierschutzpolizei, den Verhaftungsservice sowie die Grünhelme, die als schwer bewaffnete Armee überall im Land unterwegs sind. Der Einsatz der Grünhelme wird über eine Computerzentrale gesteuert, die auf Tipps aus

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