Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
Vom Netzwerk:
müssen, zunehmend unangenehm. Zweifellos verfügte die Ökorepublik über zahlreiche positive Ansätze. Sie dachte an die chemiefreie, dezentralisierte Landwirtschaft; an die Wiederentdeckung der Hanfpflanze, die zur Nutzpflanze Nummer eins geworden war. Sie dachte an die umfassenden Renaturierungsmaßnahmen; an die Bodenreform. Ab einer bestimmten Größenordnung war Grundbesitz verboten, das war nachzuvollziehen. Ein gewisses Verständnis brachte sie auch dem Reiseverbot entgegen. Der Individualverkehr, einst der alles bestimmende Götze im Sonnenstaat Kalifornien, war abgeschafft worden. Selbst der ökologische Arbeitsdienst machte angesichts der verheerenden Altlasten Sinn. Vieles, was in den Regionen der URP noch Zukunftsmusik war, funktionierte in ECOCA bereits: Die Umstellung auf alternative Energien war gelungen, renoviert wurde nach den Gesetzen der Baubiologie, die Kleidung der Menschen bestand aus Hanf- und Brennnesselfasern, künstlich produzierte chemische Verbindungen waren nicht in Umlauf. Maeva imponierte die Bedeutung, die man den Ureinwohnern Nordamerikas wieder beimaß. Sie hielt es auch für fair, dass diejenigen, die dem Druck des Arbeitsalltags nicht gewachsen waren, sich einer der zahlreichen Meditationskommunen im Lande anschließen konnten, in denen der Versuch unternommen wurde, die zivilisationsgeschädigten Bürger unter Anleitung spiritueller Lehrer wieder an das alte Wissen der Naturvölker heranzuführen. Die Kommunen waren autark, ihre wachsenden Gebietsansprüche wurden berücksichtigt. Tanith Agosta hatte sich ihr gegenüber vor einigen Tagen mit hintersinnigem Lächeln zu der Bemerkung verstiegen, dass der Staat seine Menschenherde nur deshalb mit so harter Hand regiere, um sie so leichter in die Pferche der Meditationskommunen treiben zu können. Genau diese elitäre Überheblichkeit aber war es, die Maeva so abstieß.
    Ein junger Mann trat ein und reichte der Informationsministerin ein Blatt Papier. Tanith Agosta las den Ausdruck aufmerksam durch, schob ihn dann zu Maeva hinüber und blickte triumphierend in die Runde. »Der Zugriff auf die Manganvorkommen im Südpazifik ist abgewehrt«, sagte sie, und es klang, als würde sie jedes Wort einzeln abschmecken. »Die UNO hat das Projekt mit nur einer Stimme Mehrheit soeben zu Fall gebracht. Die Hebetankerflotte, die letzte Woche von Norwegen aus aufgebrochen war, hat Befehl erhalten, umzukehren. Damit ist die aberwitzige Allianz zwischen Global Oil und der Solarindustrie gescheitert. Und nun ratet mal, wer in letzter Sekunde umgeschwenkt ist: unser aller Freund Brandon Selby! Vielleicht sollten wir an dieser Stelle in uns gehen und ihn um Verzeihung bitten für die Verwünschungen, die wir in seine Richtung ausgestoßen hatten, als die Pacific Republic den Vereinten Nationen und nicht den URP beigetreten ist.«
    Maeva starrte immer noch fassungslos auf die Nachricht in ihren Händen. Dies war bereits das zweite Mal, dass Selby ihnen in dieser Angelegenheit zu Hilfe gekommen war, aber weder Omai noch sie hatten bisher Gelegenheit gehabt, sich persönlich bei dem Mann zu bedanken. Sie würde Cording oder Knowles bitten, den Kontakt so schnell wie möglich herzustellen.
    »Gut«, hörte sie Tanith Agosta sagen, »wir haben zur Kenntnis nehmen dürfen, dass die Vernunft außerhalb unserer Grenzen – und natürlich denen der URP – noch nicht gänzlich ausgestorben ist. Dies ist aber noch lange kein Grund, den eigentlichen Zweck unseres Zusammentreffens außer Acht zu lassen. Der eigentliche Grund, Maeva, besteht für uns darin, zu erfahren, welche Eindrücke Sie von hier aus mitnehmen werden und wie wir in Zukunft miteinander kooperieren wollen.«
    Dieser Moment war schlimmer auszuhalten, als Maeva befürchtet hatte. Durch die hereingereichte Erfolgsmeldung war eine Atmosphäre der Verbundenheit entstanden, die es ihr schwer machte, jenen Abstand zu wahren, der dem Unterschied zwischen ihrer Politik und der dieses Rates am ehesten entsprochen hätte. Sie blickte in Tanith Agostas erwartungsfrohes Gesicht, in dem das Lächeln wie eine Zahnprothese saß.
    »Was euch und mich eint«, begann sie zögerlich, »ist die Erkenntnis, dass wir ohne eine radikale Kehrtwende verloren sind, dass wir die Konditionierungen aus der Zeit des materiellen Strebens aufzulösen haben. Das ist hart und nur schwer durchführbar. Aber es ist der einzig verbliebene Weg. Er führt jedoch nur dann zum Ziel, wenn die Menschen über jede Absicht des Staates

Weitere Kostenlose Bücher