Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
Vom Netzwerk:
die Faust aufs Herz gedrückt und dieser entsprechend geantwortet hatte, wiederholte er die Begrüßungsgeste bei Cording, dem gar nichts anderes übrig blieb, als seinerseits in bewährter Manier zu reagieren. Als er den nackten, tätowierten Körper des Schamanen berührte, passierte etwas Seltsames: Alle Scheu, die er diesem Mann gegenüber empfand, alle Befürchtungen und Beklemmungen, die sich normalerweise schon bei der Erwähnung seines Namens einstellten, waren mit einem Schlag verflogen. Für einen kurzen beglückenden Augenblick fühlte sich Cording wie rein gewaschen.
    Rauura ging ins Haus voraus und bedeutete ihnen, auf den ausgelegten Matten Platz zu nehmen. Er stellte drei Gläser und zwei Karaffen in die Mitte. Die eine war mit Mangosaft gefüllt, die andere mit frischem Quellwasser.
    »So wie wir unsere Körper waschen, müssen wir auch unser Schicksal waschen«, sagte der Schamane an Cording gewandt und schenkte ein. »Wir müssen unser Denken und Fühlen waschen, so wie wir unsere Wäsche waschen. Um unserer Selbstachtung willen.«
    Cording nickte verlegen. Nachdem die Männer eine Weile geschwiegen hatten – ein Schweigen, in dem sich Cording nach anfänglichen Schwierigkeiten hervorragend einzurichten wusste –, ergriff Rauura das Wort.
    »Es ist ja kein Geheimnis«, sagte er, »dass ich die Entscheidung unserer Präsidentin, sich zur URP-Generalsekretärin wählen zu lassen, nicht gutheiße. Aber wie die Dinge nun einmal liegen, werden wir ihren Entschluss nicht rückgängig machen können. Du weißt, Omai, dass ich den Wandel, den du in deiner Zeit als Präsident in die Wege geleitet hast, immer unterstützt habe. Daran hat sich nichts geändert. Unsere Gesellschaft ist gerechter und friedlicher geworden. Es war höchste Zeit, wieder Lebensqualität statt Gier und Zerstörung zu produzieren. Es steht außer Zweifel, dass der konsequente Einsatz umweltschonender Technik auf Tahiti für bessere Lebensverhältnisse gesorgt hat. Es ist nun sichergestellt, dass unsere begrenzten Ressourcen nicht länger blind verbrannt werden. Sie regenerieren sich in einem ausgeklügelten Kreislaufsystem nach dem Vorbild der Natur. Das ist gut. Die Land- und Bodenreform, die Grundversorgung jedes Einzelnen, das neue Geld- und Steuersystem, die Umstrukturierung des Parlaments, die Investition in Bildung und Gesundheit, das neue Verkehrswesen, die nachhaltige Landwirtschaft und die konsequent befolgten Gesetze der Baubiologie – das alles ist gut und hat eine erhebliche Verbesserung zur Folge. Aber bessere Lebensverhältnisse bedeuten nicht unbedingt eine bessere Lebensführung. Das gilt es zu verstehen. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Wir fangen wieder an als Familie zu arbeiten, als Dorfgemeinschaft oder als Freunde. Wir haben wieder Zugang gefunden zu den Wurzeln unserer Tradition und begreifen allmählich, dass jeder von uns die Saat des Friedens in sich trägt. Um diese Saat zu nähren, müssen wir uns gegenseitig nähren. Wir müssen miteinander lachen, beten und tanzen. Wenn wir uns die Zeit nehmen, Achtung und Liebe in unsere Herzen und Häuser einkehren zu lassen, aktivieren wir nicht nur die elektromagnetischen Felder in unseren Körpern, sondern auch die des Bodens, auf dem wir leben. Das ist so. Viele der Ideen, die für unsere Entwicklung als Menschenrasse wichtig gewesen sind, beruhen auf der Erforschung äußerer Dinge; die Umwelttechnik gehört dazu. Es ist aber an der Zeit, dass wir uns wieder nach innen erforschen. Unsere uralten Rituale können dabei behilflich sein. Der Rhythmus unserer Tänze und der Klang unserer Gesänge öffnen die Pforten in eine andere Dimension. Wir müssen neue Pfade in unseren Gehirnen entwickeln. Erst wenn wir lernen, jeden Moment in seiner Ganzheit zu sehen und ihn als einzigartiges Geschenk zu begreifen, stellen wir eine Schwingung her, die weit über Tahiti hinausgehen kann. Unsere Geisteshaltung – unser Spirit, wie man heute sagt – wird sich als energetische Welle in der Welt ausbreiten und zu ungeahnten Veränderungen führen, da sie auf feinstofflicher Ebene von den Menschen durchaus wahrgenommen wird.«
    Rauura schenkte Cording Wasser nach. Tatsächlich hatte dieser während der Ausführungen des Schamanen ein zunehmend trockenes Gefühl im Mund verspürt. Der esoterische Exkurs setzte ihm ganz schön zu, er war nun mal keiner, der solchen Heilsbotschaften unbedingten Glauben schenken mochte. Wie Rauura konnte nur jemand sprechen, der die

Weitere Kostenlose Bücher