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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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dem Papier um die Lieferung russischer Kampfjets, Kriegsschiffe und Raketen.
    Das ging selbst den alten Freunden China, Thailand, Singapur und Malaysia zu weit.
    Cording lief die achtspurige Straße entlang, auf der das Regime seine Militäraufmärsche zelebriert hatte und die sich nun sang- und klanglos der Natur ergab. Er musste aufpassen, dass er nicht über die aufgeworfenen Betonplatten stolperte, die von den Pflanzen aus der Verankerung gehoben worden waren. Die einst so pompöse Piste erinnerte an eine Strecke umgeworfener Dominosteine. Auch der nahe gelegene Golfplatz, für den die Generäle am Fuß der Berge extra eine Schneise hatten schlagen lassen, hatte sich von der Natur problemlos zurückerobern lassen.
    Wie sanft und bestimmt die Spuren menschlicher Anmaßung doch getilgt werden, dachte Cording und empfand eine tiefe innere Genugtuung dabei. Selbst die Häuser der aufgegebenen Siedlung, in der die Mitarbeiter der Ministerien gewohnt hatten, befanden sich im Würgegriff des Dschungels. Schlingpflanzen hatten die Fenster der Villen eingedrückt, und die blau und gelb getünchten Metalldächer schienen unter dem Druck der im Inneren dieser Bungalows gewachsenen Bäume zu platzen. Die Eingänge zu den berüchtigten Bunkern, die sich unterhalb der Häuser befinden sollten, waren überhaupt nicht mehr auszumachen.
    Er würde Aung San Suu Kyi danach fragen, die sich mit Maeva und Rajani Bala im Haus des letzten Diktators Than Shwe aufhielt, das sie seit ihrer Befreiung aus dem Hausarrest in Rangun bewohnte. Than Shwe hatte dem geheimnisumwitterten Regierungssitz Pyinmana den Namen Naypyidaw gegeben – »Königliches Land«. »Naypyidaw ist unser Kriegsbunker, wo wir während eines Ansturms der Amerikaner ausharren, bis uns China zu Hilfe eilt«, hieß es in der Anweisung für den Verteidigungsfall. China eilte nicht zu Hilfe, und alle Welt fragte sich, wieso es die Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi nach dem Martyrium ihrer über die Jahre immer wieder willkürlich verhängten Hausarreste ausgerechnet an jene Stätte zog, an der sich zuvor ihre Peiniger versteckt gehalten hatten. Die Antwort war einfach: Im Zweiten Weltkrieg, während der Besatzung Burmas durch die japanische Armee, hatte Suu Kyis Vater, General Aung San, von Pyinmana aus den Widerstand organisiert. Es war Suu Kyi wichtig, den von der Junta beschmutzten Namen der Stadt wieder reinzuwaschen.
    Cording hegte größte Bewunderung für die Dreiundachtzigjährige, die es nach ihrer jüngsten Freilassung geschafft hatte, dass die frisch ins Amt gewählte Zentralregierung in Rangun den Minderheiten der Shan, der Chin und Karen, die sich in einem dauerhaften blutigen Konflikt mit der Militärjunta befunden hatten, ihre eigenen, selbst verwalteten Regionen zugestand. Endlich war Schluss mit der Kungelei der großen Ölkonzerne Exxon (USA), PR (Russland), Petronas (Malaysia) oder French Total (Frankreich), die sich in Myanmar jahrzehntelang auf Kosten seiner Menschen gesundgestoßen hatten. Auch der Erdgasexplorationsvertrag, den der Nachbar Indien mit der Junta abgeschlossen hatte, war durch die Ausrufung der neuen autonomen Regionen null und nichtig geworden. Dass ein so eklatanter Wandel möglich war, war an sich schon verwunderlich. Dass er im Wesentlichen einer einzelnen Person zu verdanken war, verblüffte Cording über alle Maßen. Er passierte eine Tiefgarage, vor der ein Panzer mit ausgeleierten Ketten vor sich hin rostete, und brach auf, um sich wieder in die Gesellschaft dreier starker Frauen zu begeben, denen die anonymen Vergewaltiger aus Politik und Wirtschaft nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hatten.
    Suu Kyi, Rajani, Maeva und Steve saßen in angeregter Unterhaltung auf der Veranda beim Tee. Das palastähnliche Anwesen war grundlegend renoviert worden, nichts deutete darauf hin, dass sich hier einmal die Kommandozentrale eines Massenmörders befunden hatte. Cording nahm in dem Bambussessel Platz, den man eigens für ihn reserviert hatte.
    »Wie gefällt Ihnen das königliche Land des Generals Than Shwe?«, fragte Suu Kyi.
    »Es ist grün geworden«, antwortete Cording und erntete ein herzhaftes Lachen.
    »Es ist grün geworden«, wiederholte Suu Kyi lächelnd, »ganz recht. Das ruhige, stetige Wirken der Natur hat bisher noch jeden hysterischen Versuch, sich an den Gesetzen der Schöpfung vorbeizumogeln, eingeholt und befriedet. Ebenso verhält es sich mit der menschlichen Gemeinschaft.« Sie wandte sich an Maeva:

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