Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
war sich wohl bewusst, dass sich Fidelma schon einmal um das Amt beworben hatte. Doch sie tat seine Bemerkung mit einem Achselzucken ab. »Brehon Aillín hat langjährige Erfahrung als Richter, warum also nicht? Wenn es dich nicht zu sehr anstrengt, könntest du den Rat für heute Abend zusammenrufen – dann werde ich vor allen meinen Bericht erstatten.«
»Der Vorschlag ist gut, aber warum nicht sofort?«
»Weil es noch ein paar Dinge zu regeln gibt. Ich muss unbedingt das Mädchen aufsuchen, das ich auf bloßen Verdacht hier festgesetzt habe. Sie muss freigelassen und irgendwie entschädigt werden. Ich habe ihr Unrecht getan.«
»Meinst du Aibell?«, fragte Colgú und lächelte. »Sei unbesorgt.Ich habe mich mit ihr unterhalten und ihr erlaubt, unten im Ort bei Della zu bleiben. Und Della hat mir versprochen, sich um sie zu kümmern.«
Man sah Fidelma an, dass sie verstimmt war. »Du hast mit ihr gesprochen? Dar Luga hatte von mir die strikte Anweisung, sie nicht …«
Colgú hob die Hand. »So ganz unfähig bin ich nun auch nicht, Schwester. Ich ließ sie kommen, habe sie befragt, und sie hat mir ihre traurige Geschichte erzählt. Du bist nicht die Einzige in unserer Familie mit guter Menschenkenntnis. Ich hielt es für angeraten, dass sie bei jemandem bleibt, der sie mit Sympathie und Freundschaft aufnimmt. Sie ist ein hübsches Mädchen, und es fällt Männern leicht, sich in sie zu verlieben.«
Fidelma schreckte auf, denn ähnliche Worte hatte sie wiederholt gehört. »Ihre Mutter war genauso«, murmelte sie. »Aibell wird also von Della beaufsichtigt?«
»So nun gerade nicht. Sie leben wie Mutter und Tochter miteinander, hat man mir berichtet. Ich habe täglich jemand hingeschickt, der nach ihr schaut. Bisher verhält sie sich so, dass ich überzeugt bin, richtig gehandelt zu haben.«
Fidelma und ihr Bruder sahen einander herausfordernd an. Jeder meinte, recht zu haben. Eadulf wurde gewahr, wie sehr sich die beiden rothaarigen Geschwister im Temperament glichen. Die Spannung hielt nur einen Moment an. Dann lachten beide. »Ich hätte auch so gehandelt«, gab Fidelma zu. »Gegenwärtig gibt es für Aibell nichts Besseres, als bei Della zu wohnen, und das besonders, seit Dellas Sohn Gormán wieder daheim ist.«
Ihr Bruder wusste nicht, was er davon halten sollte. »Was hat Gormán damit zu tun?«
»Oh, wir sollten, was zukünftig geschieht, ruhig in GormánsHänden lassen«, erwiderte sie geheimnisvoll. »Vor allem aber freue ich mich, dass du so wohl aussiehst, Bruder.«
»Ebenso freue ich mich, dass es mir wieder gutgeht, und sehe mit Spannung deinem Bericht entgegen, wer hinter dem Mordanschlag auf mich steckte. Ich bin mir immer noch sicher, dass der Name Liamuin mir überhaupt nichts sagt«, fügte er hinzu. »Aibell hat mir von ihrer Mutter erzählt; zuvor hatte ich nie von ihr gehört und auch von keiner anderen Frau, die Liamuin hieß.«
»Das leuchtet mir ein. Dennoch, da sind ein paar Dinge, die ich dich fragen möchte, ehe der Rat einberufen wird.«
»Und die wären?«
»Ich möchte mir über etwas Klarheit verschaffen, das sich während der Schlacht am Cnoc Áine zugetragen hat. Du bist dabei verwundet worden, es war sogar eine ernstzunehmende Verwundung, wie ich gehört habe.«
»Nach Schlachten werden immer allerlei Geschichten verbreitet, die nicht in jeder Einzelheit der Wahrheit entsprechen«, erklärte ihr Colgú. »Dummerweise wurde ich schon beim ersten Angriff von einem Speer am Kopf getroffen. Ich war sofort bewusstlos und wurde rasch in mein Zelt geschafft. Während der Arzt mich untersuchte, kam ich zu mir und wollte sofort zurück zu meiner Truppe. Du verstehst doch, den Kämpfern sinkt der Mut, wenn ihr Führer verwundet wird. Selbst wenn man kurz vor einem Sieg steht, kann dann eine Schlacht leicht verlorengehen. Von dem Stoß mit dem Speer hatte ich nicht einmal eine Platzwunde, lediglich eine Beule. Weshalb fragst du gerade danach?«
»Ich vermute, bei der Gelegenheit ist dein Schild abhandengekommen.«
»Du stellst vielleicht sonderbare Fragen.«
»Trotzdem, ich brauche eine klare Antwort.«
»Leider kann ich mich nicht daran erinnern. Als mich die Helfer vom Schlachtfeld trugen, werden sie den Schild da, wo ich gestürzt war, liegengelassen haben. Aber ein König hat einige Privilegien – ich hatte drei Schilde in meinem Zelt.«
»Den einen, den du verloren hast, habe ich dir wiedergebracht«, sagte Fidelma. »Und zwar aus der Abtei Mungairit.«
Colgú
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