Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
Vom Netzwerk:
begangen, er hat dieses wertlose Manuskript gegen etwas eingetauscht, das er mit seinem Leben hätte schützen müssen.«
    Jendrik schluckte hart. Wo war er da nur hineingeraten! Am liebsten wäre er aufgesprungen und davongelaufen. Er wollte mit der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu tun haben.
    Aber schon sprach der Entstellte weiter: »Der Heilige Vater hasst Dummheit in den eigenen Reihen. Sie muss bestraft werden, denn sie gefährdet die Sicherheit der Kirche.«
    »Abt Nicola ist …« Jendrik wagte es nicht, das Wort auszusprechen.
    »… tot«, ergänzte der namenlose Bruder kalt. Es bedurfte keiner weiteren Erklärungen. Jendrik verstand auch so, dass der Abt nicht einer seltenen Krankheit zum Opfer gefallen, sondern kaltblütig ermordet worden war. Und der Mörder saß ihm gerade gegenüber. Jendriks Kehle wurde so eng, als hätte ihm jemand ein schmales Seil um den Hals gelegt.
    In diesem Moment fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Ein Bruder aus Rom« – natürlich! Wie hatte er nur so blind sein können. Der Mann vor ihm war ein Mitglied der gefürchteten Geheimen Bruderschaft, jener Gruppe von Mönchen, die angeblich direkt dem Papst unterstanden und seine geheimsten Aufträge ausführten.
    Bis jetzt hatte Jendrik immer geglaubt, die Gerüchte rund um die »Fraternitas Secreta« seien bloß erfundene Geschichten, ausgedacht, um Angst und Unsicherheiten zu schüren. Jetzt wusste er es besser. Es gab sie wirklich. Oder zumindest Männer, die so taten, als gehörten sie dazu.
    Die Frage war nur, was ihm dieses Wissen jetzt noch nützen würde. Bestimmt lag im Schreibtisch bereits ein scharfes Messer, mit dem der Entstellte Jendrik gleich die Kehle durchschneiden würde. Mord stand schließlich auf der Aufgabenliste der Geheimen Bruderschaft ganz oben.
    »Ich sehe an Eurem Gesicht, dass Ihr allmählich begriffen habt«, sagte der Mann mit dem nasenlosen Antlitz zufrieden.
    Jendrik schwieg. Die Ereignisse erschlossen sich ihm nur zum Teil. Wusste Pfeiffer, dass er ein wertloses Pergament gegen etwas Kostbares eingetauscht hatte?
    So als könnte der namenlose Bruder Jendriks Gedanken lesen, sagte er: »Wir alle können nur hoffen, dass der Wissenschaftler nicht erfährt, wie wertvoll das Buch ist, das sich nun in seinem Besitz befindet. Es gehört dem Papst und muss unbedingt wieder in die Hände des Heiligen Vaters gelangen.« Er machte eine dramatische Pause, dann zeigte er mit einer ausgestreckten Hand, die in einem dunklen Lederhandschuh steckte, auf Jendrik. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Jendrik, in der Hand ein Messer zu sehen, dessen scharfe Klinge ihm die Luftröhre durchtrennen sollte. Aber die behandschuhte Hand war leer.
    »Und Ihr selbst werdet dem Papst helfen, das wertvolle Buch wiederzuerlangen. Denn Ihr kennt den Mann, der es gestohlen hat«, sagte der Geheime Bruder.
    Jendrik wusste nicht, was stärker war – der Schreck, der ihn wie ein Schlag in die Magengrube traf, oder die Erleichterung, dem Tod so knapp entgangen zu sein. Er begann zu schwanken, doch der Mann gestattete nicht, dass Jendrik sich setzte. Er schien sich an Jendriks Angst zu erfreuen.
    »Aber … glaubt mir … ich … ich bin gänzlich ungeeignet für eine derart schwierige Aufgabe!«
    »Der Abt in Prag schickt Euch quer durch Europa, um eine vermeintlich gefährliche Ketzerschrift zu suchen, und Ihr behauptet, nicht geeignet zu sein, dem Befehl des Papstes zu gehorchen? Außerdem, Ihr seid Jesuit, Ihr habt keine andere Wahl.«
    Die letzten Worte hallten in Jendriks Ohren wider. Warum nur hatte er sich für diesen Orden entschieden? Sein ganzes Leben zog an ihm vorbei, es erschien ihm auf einmal wie eine Verkettung unglücklicher Zufälle, so als hätte er an jeder entscheidenden Weggabelung die falsche Richtung gewählt.
    Der entstellte Mann musste es nicht aussprechen: Sollte Jendrik sich weigern, den Auftrag auszuführen, würde ihn das gleiche Schicksal ereilen wie Abt Nicola.
    »Was genau erwartet Ihr von mir?«, fragte Jendrik müde.
    »Bringt mir das Buch und tötet all jene, die es gelesen haben.«
    »Töten?«, fragte Jendrik entsetzt. »Das …« Das kann ich nicht, hatte er sagen wollen. Jendrik hatte in seinem ganzen Leben außer Fliegen und Wespen kein Lebewesen getötet. Ein einziges Mal hatte Tomek ihn als Kind dazu gezwungen, einen Frosch aufzuschneiden. Jendrik hatte es getan, weil er vor dem Freund nicht als Feigling dastehen wollte. Aber auch das war eine falsche Entscheidung gewesen,

Weitere Kostenlose Bücher