Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
von den Straßen verschwunden, und die mit Steinen gepflasterten Wege sahen aus wie frisch gewaschen, verschwunden war das düstere Grau. Jendrik stieg von seinem Pferd ab und hielt eine kleine, rundliche Frau auf, die heftig schnaufend einen schweren Handkarren, vollbeladen mit frischen Früchten, hinter sich herzog. Umständlich fragte er sie auf Tschechisch nach dem Weg zum Jesuitenkloster. Doch die Frau sah ihn verständnislos an: »Pardon?«
Jendrik versuchte es noch einmal, diesmal langsam und deutlich, aber leider immer noch in seiner Muttersprache: »KÖNNT IHR UNS BITTE DEN WEG ZUM JESUITENKLOSTER ZEIGEN?«
Die rundliche Frau zuckte mit den Schultern, schnappte ihren Karren und ging kopfschüttelnd weiter.
»Es ist ein Jammer, aber ich verstehe nicht ein einziges Wort dieser nasalen Sprache«, stellte Jendrik bedauernd fest.
Da entdeckte er einen Mann in Priesterkleidung. Erleichtert trat er auf ihn zu und sprach ihn auf Latein an. Der Mann beherrschte die Sprache der Kirche zwar nur bruchstückhaft, verstand aber die Frage und konnte ihnen den Weg beschreiben.
»Na bitte. Ein Priester kann einem immer weiterhelfen«, sagte Jendrik zufrieden und führte sein Pferd hinter sich her. Sie mussten zu Fuß weiter, denn die Gassen wurden immer enger und das Reiten und Ausweichen besonders für Jendrik immer schwieriger. Tomek murrte, gab sich aber geschlagen.
Wenig später erreichten sie das Collège des Godrans, Jendrik klopfte an das kleine Holztor. Schon nach kurzer Zeit ging die Tür auf, und Jendrik trug dem alten Mönch in der kleinen Kammer hinter der Tür seine Bitte vor. Er war erleichtert, dass der Bruder sein Latein verstand.
Der Pförtner hatte dunkle Ringe unter den Augen, so als habe er die letzte Nacht schlaflos verbracht. »Ihr kommt sehr ungelegen«, flüsterte er hinter vorgehaltener Hand. »Eine schlimme Krankheit sucht unser Kloster heim. Ihr solltet rasch weiterziehen.«
»Was für eine Krankheit denn?«, fragte Jendrik.
»Wir wissen es nicht, doch sowohl unser Abt als auch der Bibliothekar sind heute Nacht daran verstorben. Wir haben keinen Arzt im Kloster, aber Bruder Maurice, der die Alten und Kranken pflegt, meint, er habe noch nie zuvor einen ähnlichen Krankheitsverlauf gesehen.« Während der Mönch erzählte, wurde er immer blasser. Seine Angst war deutlich spürbar.
Instinktiv machte Jendrik einen Schritt zurück auf die Straße und wäre beinahe mit Tomek zusammengestoßen, der hinter ihm stand. Tomek hatte nichts von dem Gespräch verstanden, fragend sah er Jendrik an.
»Eine seltsame Krankheit wütet im Kloster, es hat schon zwei Tote gegeben«, erklärte Jendrik.
»Dann lass uns gehen und in den Gasthäusern der Stadt nach Jana fragen.«
»Wir haben kein Geld mehr!«, erinnerte Jendrik den Freund.
Tomek zögerte. Hätte sich hinter den Mauern ein gefährliches Tier verborgen oder eine Heerschar von Gegnern, er würde keinen Augenblick lang zögern und hineinstürmen. Aber Krankheiten, vielleicht sogar ansteckende, die fürchtete er. Tomek war neben einer Apotheke aufgewachsen und wusste, dass es viele Krankheiten gab, gegen die auch die beste Medizin nichts ausrichten konnte. Und die meisten Ärzte waren Scharlatane, davon war er überzeugt. Anders war es mit Verletzungen, schließlich war er Soldat. Und als solcher fürchtete er weder Schwerthiebe noch Knochenbrüche.
»Dann geh du allein«, meinte er. »Ich warte im Gasthaus um die Ecke auf dich.«
Jendrik seufzte ergeben. Sicher war es besser so. Auf diese Weise konnte er ungestört mit dem Abt über seinen Auftrag sprechen. Aber halt – hatte der Mönch nicht eben gesagt, dass der Abt verstorben war?
»Gibt es denn jemanden, der im Moment die Aufgaben des Abts übernimmt?«, fragte er den Pförtner. »Ich bin weit gereist und habe einen wichtigen Brief aus Prag dabei.«
»Prag?« Der Mönch zog irritiert die Augenbrauen hoch. »Bis vor kurzem habe ich diese Stadt nicht einmal gekannt, und jetzt klopft jeden Tag jemand von dort an unsere Pforte.«
»Ihr hattet bereits Besuch aus Prag?«, fragte Jendrik, neugierig geworden. Konnte es sein, dass er Janas Spur bereits gefunden hatte? Doch der Mönch zuckte bloß mit den Schultern.
»Ich muss dringend mit dem Stellvertreter des Abtes sprechen«, sagte Jendrik.
»Wie Ihr wollt. Aber ich habe Euch gewarnt.« Der alte Mönch mit dem gebeugten Rücken öffnete die Tür und ließ ihn ein. Schweigend führte er ihn in den Innenhof, vorbei an der Kapelle. Hinter dem
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