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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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Buch den Schlüssel zu diesem Amulett barg. Marek wollte die Schrift sehen. Gemessen an seinem bescheidenen Lohn, waren fünf Silbermünzen ein stattlicher Preis, aber im Vergleich zum Wert des Amuletts eine lächerlich niedrige Summe.
    »Warum wollt Ihr mir das Buch verkaufen?«, fragte er misstrauisch.
    Der Fremde zuckte mit den breiten Schultern.
    »Ich hab kein Geld, ich kann nicht lesen und außerdem will ich das Zeug loswerden.«
    Eine Pause entstand, Marek wollte sie nicht mit weiteren Fragen füllen. Er wartete ab, und tatsächlich beugte sich der Seemann erneut zu ihm. Bevor er wieder hinter vorgehaltener Hand zu flüstern begann, vergewisserte er sich, dass niemand ihn belauschte: »Es haftet ein Fluch auf dem Buch und dem Schmuck.«
    »Ein Fluch?« Fast hätte Marek laut aufgelacht. Als Mann der Wissenschaft hielt er nichts von Flüchen, Hexen und Aberglauben. Er war fest davon überzeugt, dass jedes Phänomen auf dieser Welt rational erklärbar war.
    Aber der Seefahrer war anderer Meinung. Er konnte die klugen Schriften der Wissenschaftler zwar nicht lesen, dafür hatte er im Laufe seines Lebens genug Dinge gesehen und erlebt, die mit dem Verstand allein nicht erklärbar waren. Er hob die Finger zum Schwur und flüsterte: »Ich schwöre, dass ich die Wahrheit sage. Alle Menschen, die mit diesem Buch in Berührung kamen, mussten sterben.«
    Mareks Grinsen wurde breiter. Er sah den Seemann an. Zitterten seine Lippen vor Angst? »Ihr seid noch am Leben«, sagte er.
    Der Seemann zuckte zusammen und schnaubte verächtlich: »Ich kann den verfluchten Text nicht lesen, und das allein ist der Grund, dass ich noch nicht tot bin. Aber bevor ein Unglück passiert, will ich beides loswerden. Schmuck und Buch.«
    Diesmal zweifelte Marek nicht an der Ehrlichkeit des Fremden. Dessen Angst war beinahe greifbar. Vermutlich hätte der Seemann Buch und Amulett eher in den nächsten Straßengraben geworfen, als sich noch weiter damit zu belasten. Aber wovor hatte er Angst? War sein Aberglaube tatsächlich so stark, dass er einen so wertvollen Gegenstand fast verschenkte?
    Marek hielt das Schmuckstück immer noch in der Hand. Es fühlte sich nun warm an. Vielleicht stammte es wirklich aus der Neuen Welt, jenem Erdteil, aus dem all die exotischen neuen Früchte und Gewürze kamen, die in den teuren Läden am Hauptplatz zum Verkauf angeboten wurden. Es gab Gerüchte, dass die Spanier und Portugiesen auf ihren Schiffen Kisten vollgefüllt mit Gold und Edelsteinen aus den neuen Ländern mitbrachten und damit ihre maroden Staatskassen füllten. Der Anhänger war aus purem Gold, der Seefahrer hätte für den Schmuck einen ganzen Sack voll Silbermünzen bekommen. Aber das wollte er nicht. Und im Moment schien er noch nicht so betrunken zu sein, dass er nicht mehr wusste, was er tat.
    Marek war hin- und hergerissen. Etwas war faul an der Sache, das wusste er, aber es hinderte ihn nicht daran, die Neugier über den Zweifel siegen zu lassen.
    Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. So leise, dass bloß sein Gegenüber ihn hören konnte, flüsterte er: »Zeigt mir das Buch, damit ich beurteilen kann, ob es den Preis wert ist, den Ihr dafür verlangt.«
    Der Fremde kniff die Augen zusammen und meinte zufrieden: »Ich wusste gleich, dass Ihr ein mutiger Mann seid.« Dann angelte er nach einem abgegriffenen Sack aus hellem Schiffsleinen, der achtlos auf dem groben Holzboden unter dem Tisch gelegen hatte. Er öffnete geschickt den Seemannsknoten und kramte darin. Der Sack war so groß, dass beinahe sein ganzer Oberkörper darin verschwand. Bestimmt bewahrte der Mann seinen gesamten Besitz darin auf: Ersatzkleidung, einen Becher, einen Teller, einen eisernen Löffel und vielleicht auch ein Kreuz aus Holz. Zufriedenes Grunzen drang aus dem Sack, und schließlich richtete sich der Matrose wieder auf. Er hielt Marek ein abgegriffenes, in Leder gebundenes Buch entgegen. Es sah völlig unspektakulär aus und erinnerte Marek an ein Gebetsbuch, das regelmäßig in den Händen seines Besitzers lag und deshalb dunkle Flecken aufwies. Nichts daran wirkte exotisch oder geheimnisvoll. Fast enttäuscht nahm Marek den Band entgegen und schlug ihn auf.
    In fein säuberlicher Schrift hatte jemand in einer Sprache, die Marek nicht kannte, einen Text niedergeschrieben. Marek überflog die Worte. Schon nach den ersten Sätzen war ihm klar, dass es sich um einen chiffrierten Text handeln musste. Jemand hatte sich viel Mühe gemacht, damit der Inhalt des

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