Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
ihr nicht. Sie musste dazu absteigen.
»Wartet bitte einen Moment!«, rief sie, hievte sich aus dem Sattel und stopfte den Mantel in ihren Reisesack. Dann machte sie sich daran, den Gurt wieder festzuschnallen. Sie war so sehr damit beschäftigt, dass sie das verräterische Rascheln im Gebüsch nicht bemerkte. Auf einmal sprang ein Pferd samt Reiter vom Straßenrand her aus den Büschen. Als der Reiter laut zu schreien begann, erschrak Jana derart, dass sie den Reisesack in den Staub fallen ließ und sich schützend hinter ihr Pferd duckte.
Sie traute ihren Augen nicht. Es war Tomek, der mit wütendem Gebrüll auf den Doktor zuritt und ihn mit einem einzigen kräftigen Ruck vom Pferd zerrte. Mit einem dumpfen Aufprall landete der Gelehrte auf dem Boden. Er war so überrascht von dem Angriff, dass er nur irritiert blinzelte und sich benommen wieder aufrappelte. Doch kaum stand er, war Tomek auch schon mit einem Satz von seinem Pferd gesprungen und hatte sich auf ihn gestürzt. Er versetzte ihm einen kraftvollen Kinnhaken, so dass Pfeiffer erneut zu Boden fiel.
Plötzlich zog Tomek sein Schwert, kalter Stahl blitzte in der warmen Maisonne. Noch bevor er sich auf den wehrlosen Gelehrten werfen konnte, reagierte Jana. Erst stolperte sie über den Reisesack am Boden, dann machte sie einen Satz auf Tomek zu. Mit voller Kraft sprang sie ihm in den Rücken und versuchte ihn festzuhalten, aber Tomek verfügte über Kräfte, denen sie nicht gewachsen war.
Mühelos schüttelte er sie ab wie einen lästigen Käfer und zischte: »Um dich kümmere ich mich später. Zuerst erledige ich das Katholikenschwein, das mich zum Gespött der ganzen Stadt gemacht hat!«
»Tomek, hör auf!«, brüllte Jana.
Tomek drehte sich erneut zu ihr um, und diesmal blitzte neben der Wut auch Irrsinn in seinen braunen Augen auf.
»Du … du wirst mit mir zurückreiten.«
Jana schluckte. Die Entschlossenheit in seiner Stimme machte ihr Angst, gleichzeitig weckte sie ihren Kampfgeist.
»Ich werde dich niemals heiraten«, rief sie tapfer und stampfte dabei auf wie ein trotziges Kind.
»O doch, das wirst du!«, schrie Tomek aufgebracht. »Ich musste die alte Schmiedin mit dem Schwert bedrohen, bis sie mir verraten hat, was du vorhast. Aber ich schwöre dir, du wirst nicht nach München reiten, und dich diesem schleimigen Wirt in die Arme werfen. Ich werde dich schon noch Gehorsam lehren.«
Bei dem Wort Gehorsam sah Jana rot. Sie griff nach einem Wurzelstock, der neben dem Weg am Boden lag, und hielt ihn Tomek entgegen, so als wollte sie sich damit verteidigen. Sie funkelte Tomek böse an: »Das kannst du vergessen. Gehorchen wird dir bestenfalls dein Pferd, aber ich ganz sicher niemals.« Noch vor einer Woche hätte sie nicht im Traum gewagt, so mit Tomek zu reden.
Auch für Tomek kamen Janas heftige Widerworte überraschend. Verwirrt sah er sie an.
Da rappelte sich hinter ihm Doktor Pfeiffer wieder auf, mit einem Stöhnen kam er auf die Beine. Tomek fuhr herum und stürzte sich mit einem wütenden Kampfschrei auf den Arzt. Mit einem Armstoß rammte er den Wissenschaftler nieder. Tomeks Schwert fiel klirrend zu Boden, nun verließ sich der Soldat nur noch auf seine Fäuste, mit denen er erbarmungslos zuschlug. Dem Arzt gelang es nicht, sich in irgendeiner Weise zur Wehr zu setzen, hilflos lag er auf dem Rücken, während Tomeks Schläge auf ihn einprasselten.
Ohne nachzudenken, sprang Jana, die noch immer den Wurzelstock in den Händen hielt, von hinten auf Tomek zu und versetzte ihm mit dem Stock einen Schlag auf den Hinterkopf. Sie traf nur mit halber Kraft, aber der Überraschungsangriff verschaffte Doktor Pfeiffer eine kurze Erholungspause.
Tomek strauchelte, mit fassungsloser Miene wandte er sich zu Jana um. Dann ballte er die rechte Hand zur Faust und holte aus, um Jana zu schlagen. Genau in dem Moment packte Doktor Pfeiffer zu und zog mit aller Kraft an Tomeks Fußknöcheln. Der Soldat verlor das Gleichgewicht und landete ausgestreckt auf dem Boden. Dabei schlug sein Kopf hart auf einem Stein auf, leblos blieb er liegen.
»O mein Gott«, flüsterte Jana. Ihr Herz raste vor Aufregung und Angst. Sie wagte es nicht, Tomek genauer anzusehen. Was, wenn sie ihn umgebracht hatten?
»Bitte mach, dass er lebt«, sagte Jana leise. Es war Jahre her, dass sie Gott zuletzt um einen Gefallen gebeten hatte. Auch wenn sie Tomek nicht leiden konnte, die Vorstellung, seine Mörderin zu sein, war schier unerträglich.
Doktor Pfeiffer richtete sich mit
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