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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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wieder der überhebliche Blick, der Jana jedes Mal aufs Neue ärgerte. »Wird er auf der Suche nach Euch alle größeren Städte absuchen? Oder wird er durch die Wälder irren und lauert bereits hinter einem der Bäume? Aber vielleicht ist er auch froh, Euch losgeworden zu sein?«
    Warum glaubte Jana, dass der Arzt der letzten Vermutung zuneigte?
    Sie legte den Kopf schräg und überlegte. Sicher war Tomek verärgert und sein Stolz verletzt. Aber ob er ihr deshalb nachreiten würde? Viel einfacher war es für Jana, Radomilas Reaktion vorherzusehen. Bestimmt rannte die Tante seit Stunden wutentbrannt durchs Haus und drängte ihren Sohn dazu, Jana zurückzuholen. Da Tomek sich nie dem Willen der Mutter widersetzte, würde er ihr also nachreiten. Merkwürdig war nur, dass er sie trotz Maries langsamem Tempo noch nicht eingeholt hatte.
    »Nun gut, da Ihr mir keine Antwort gebt, die uns weiterhelfen könnte, schlage ich vor, wir reiten über Passau. Dort füllen wir unsere Lebensmittelvorräte auf und verbringen im Notfall eine Nacht in einer kleinen Herberge. Ihr seht etwas mitgenommen aus. Wenn ich Euch in diesem Zustand in München abliefere, lehnt Bedrich vielleicht noch ab, Euch aufzunehmen.«
    Das war zu viel des Spotts. Jana stand verärgert auf und starrte den Arzt böse an.
    »Hört auf, Euch ständig über mich lustig zu machen. Ich sage doch auch nicht, dass Ihr ein schlechter Arzt seid, bloß weil Ihr vor einer todgeweihten Patientin davonlauft.«
    Einen Moment lang hatte Jana den Eindruck, dass Pfeiffer betroffen aussah. Aber als er zu seiner Antwort ansetzte, wurde ihr klar, dass sie sich geirrt hatte. Offenbar fühlte er sich lediglich in seinem Stolz verletzt und war beleidigt.
    »Wenn ich mich selbst und eine weitere Person in Gefahr bringen würde, bloß um einer Sterbenden die Hand zu halten, wäre ich vielleicht ein guter Priester, aber kein guter Arzt. Ihr seid naiv und unerfahren, und es wird höchste Zeit, dass ich Euch in München abliefere.«
    Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, ging er zu seinem Pferd und sattelte es. Schweigend legte er auch der Stute den Sattel wieder auf. Jana lief unterdessen hinunter zum Bach und wusch sich wenigstens das Gesicht mit kaltem Wasser. Im Gebüsch entdeckte sie Beinwell und Huflattich. Von beidem nahm sie ein Büschel mit. Ganz egal, was Pfeiffer dazu sagen würde.
    Wenig später saß sie wieder im Sattel und verfluchte die blauen Flecken an ihrem Hinterteil. Ob man sich mit der Zeit daran gewöhnen konnte? Im Moment waren die Schmerzen fast unerträglich.
    Wortlos ritt sie hinter Doktor Pfeiffer her. Als sie zu der Weggabelung kamen, die zur Hütte führte, zögerte der Arzt kurz und bog dann zu ihrer großen Überraschung doch noch einmal ab.
    »Ich will sehen, ob die Alte die Nacht überlebt hat«, sagte er und sah Jana dabei nicht an. Schnell ritt er zur Hütte, sprang mit einem Satz vom Pferd und klopfte an die niedrige Tür. Während Jana noch damit beschäftigt war, von Marie abzusteigen, wurde die Tür der Hütte geöffnet. Der alte Mann ließ Pfeiffer ohne ein Wort eintreten und schloss die Tür rasch wieder.
    Jana überlegte, ob sie ebenfalls Einlass erbitten sollte, unterließ es aber und wartete in einigem Abstand. Sie gönnte Marie eine Pause, und das Pferd begann, am Wegrand Gras zu fressen. Es dauerte schier eine Ewigkeit, bis die Tür der Hütte erneut aufging und Pfeiffer wieder ins Freie trat. Jana erschrak, denn er trug einen Spaten über der Schulter. Das konnte nur eines bedeuten: Die alte Frau war letzte Nacht gestorben.
    Rasch band sie Marie an einem der Bäume fest und eilte zu Pfeiffer. Der schüttelte wortlos den Kopf und hielt sie am Arm fest.
    »Bitte geht nicht hinein!«, sagte er eindringlich. »Ihr könnt nichts mehr tun, und die Gefahr, dass Ihr Euch ansteckt, ist einfach zu groß. Der Alte ist völlig verzweifelt, und ich habe ihm zugesagt, das Grab für seine Frau auszuheben. Das würde er allein wohl kaum schaffen.«
    Etwas in seinen türkisblauen Augen hielt Jana zurück, vielleicht war es die Sorge, die sie darin las. Langsam machte sie einen Schritt zurück und fragte: »Gibt es noch einen zweiten Spaten?«
    »Der lehnt hinter dem Haus, der Alte hat bereits damit begonnen, eine Grube auszuheben, aber dann haben ihn die Kräfte verlassen.«
    Jana folgte dem Arzt hinter das Haus, wo zwischen zwei Tannenbäumen ein Erdhaufen neben einem kleinen Loch zu sehen war. Ohne ein weiteres Wort rammte Pfeiffer den Spaten ins Erdreich,

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