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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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ihr den Saft bringen.«
    »Rasch hinüberlaufen« hieß, die Moldau an der Karlsbrücke zu überqueren, die Marktplatzstraße hinauf bis zum Wälschen Spital und schließlich durch eine kleine Seitengasse bis zur Bäckerei zu gehen. Pavlina, die nicht zu den schnellsten Botengängerinnen gehörte, würde den ganzen Nachmittag unterwegs sein. Jana musste den Saft also rasch zubereiten, damit Pavlina zurück war, bevor der Arzt aus Wien eintraf.
    »Und dann, meine Liebe …«
    Jana seufzte erneut. Warum konnte Radomila nicht endlich gehen?
    »Pavlina hat die Hühner fürs Abendessen bereits gerupft, sie müssen nur noch gefüllt, gewürzt und gebraten werden. Tomek wird schon heute zum Abendessen zurück sein, und du wirst deinem zukünftigen Mann sicher etwas Feines servieren wollen.« Radomila lächelte, und Janas Verärgerung war nun so groß, dass sie kurz vor dem Platzen stand. Sie hatte fest geglaubt, Tomek käme erst am Wochenende wieder nach Prag.
    »So, jetzt gehe ich aber. Ich wünsche dir einen schönen Nachmittag.« Radomila winkte Jana zu, ergriff die Türklinke und die helle Glocke läutete, wie jedes Mal, wenn die Tür sich öffnete oder schloss.
    Wütend starrte Jana ihrer Tante nach.
    Warum schaffte sie es nicht, die Frau zu mögen? Radomila war kein böser Mensch. Sie war bloß ehrgeizig und anspruchsvoll, und dennoch konnte Jana sie einfach nicht ausstehen. An manchen Tagen dachte sie, es wäre besser gewesen, Radomila hätte Onkel Karel nie geheiratet, und noch viel öfter wünschte sie, sie selbst müsste nicht Tomeks Ehefrau werden. Die Vorstellung, eines nicht allzu fernen Tages »Mutter« zu Radomila sagen zu müssen, war ebenso schlimm wie die, mit Tomek ein Bett zu teilen.
    Aber Jana hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, die Ehe noch irgendwie zu verhindern. Sie hatte einen Plan, und solange ihr Vater Marek noch in Heidelberg lebte, war die Lage nicht völlig hoffnungslos. Vielleicht konnte Jana bald zu ihm ziehen?
    Sie seufzte noch einmal laut, wischte sich mit dem Handrücken die dunkelblonden Haarsträhnen aus dem Gesicht und versuchte, nicht weiter über dieses unerfreuliche Kapitel in ihrem Leben nachzudenken. Sie musste den Hustensaft für die Bäckerin mischen. Also brauchte sie Spitzwegerich, Honig, heißes Wasser und Schnaps. Ob es auffiel, wenn sie einen Löffel voll Honig naschte? Süßes beruhigte die Nerven und hellte die Gedanken auf, und Radomila war nicht da, um sie zu beobachten. Oder sollte sie lieber einen Schluck Schnaps trinken, der ebenfalls die Stimmung aufhellen konnte? Jana entschied sich für den Honig, nahm dafür aber gleich zwei Löffel voll. Die Vorstellung, etwas Verbotenes zu tun, verschaffte ihr eine gewisse Genugtuung.
    Die Kirchenglocken von St. Thomas schlugen die vierte Stunde nach Mittag, und Pavlina war immer noch nicht zurück. Das Mädchen war nun schon über zwei Stunden unterwegs, und Jana fragte sich, ob Pavlina den süßen Powidelgolatschen oder dem geschwätzigen Lehrjungen der Moraks nicht hatte widerstehen können. Wahrscheinlich beidem.
    »Worunter, sagtet Ihr, leidet Euer Mann?«, fragte Jana. Frau Lichal, die Kesselflickerin, hatte ihr soeben eine ganze Liste von Beschwerden aufgezählt, die aber alle nicht so ganz zu dem passen wollte, was der Arzt als Medizin aufgeschrieben hatte. Jana las den Zettel mit gerunzelter Stirn: »Zimtrinde, Galgantwurzel, Ingwerzehen, Muskatnuss, Wacholderbeeren und die getrocknete Haut eines weißen Huhns? Das alles sollt Ihr mischen, in heißer Milch auflösen und mit Schweineschmalz versetzen? Seid Ihr sicher, dass der Arzt wirklich diese Zutaten gemeint hat?«
    In dem Moment ging die Tür auf, die helle Glocke ertönte und ein stattlicher junger Mann mit rosigen Wangen, einem runden Gesicht und einem kleinen Bauchansatz unter dem weißen Hemd trat ein. Als er Jana erblickte, kam er freudestrahlend auf sie zu. Bedrich Krejcirik war der Sohn des reichen Eberwirtes, dessen Gasthof direkt unterhalb des Hradschin lag. Nur die einflussreichen und wohlhabenden Ratsherren der Stadt verkehrten dort. Jana kannte Bedrich, seit sie sich zurückerinnern konnte, und genauso lang schon bemühte er sich um ihre Gunst. Er war ihr ältester und bester Freund. Sie mochte ihn sehr, konnte aber die Gefühle, die er für sie empfand, nicht erwidern.
    Die Frau des Kesselflickers lenkte Janas Aufmerksamkeit wieder auf sich.
    »Hätte der Arzt diese Dinge aufgeschrieben, wenn er etwas anderes meinte?«, fragte sie, und ihr Atem roch

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