Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
abfüllte. Der Geruch von frischem Olivenöl und Ringelblumen breitete sich aus. Die feinen Gerüche in der Apotheke waren einer der Gründe, warum Jana ihren Beruf liebte. Sie hatte eine sehr sensible Nase und konnte Gerüche schon zuordnen, wenn andere sie noch gar nicht wahrgenommen hatten.
»Nicht nur das. Sie ist doch Katholikin und wohnt in einem protestantischen Viertel. Seit einiger Zeit wird sie beschimpft und sie überlegt, ob sie nicht woanders hinziehen soll.«
Bedrich, der sich nun mit beiden Ellbogen auf den Tresen stützte, um Jana in gemütlicher Position beobachten zu können, nickte zustimmend. »Wir bekommen auch immer öfter den Zorn der Protestanten zu spüren. In der Gaststube wird offen über das Haus Habsburg geschimpft und das, obwohl alle wissen, dass wir Katholiken sind. Der böhmische König und sein Cousin, der Kaiser, tun diesem Land und den Katholiken, die hier wohnen, nichts Gutes, wenn sie die Religionsfreiheit wieder aufheben wollen.« Bedrich meinte das Edikt von 1609, in dem Rudolf II. den böhmischen Protestanten die freie Religionsausübung garantiert hatte, und das nun von Ferdinand, seinem Nachfolger, nach und nach ausgehöhlt wurde. Ferdinand war erzkatholisch, und angeblich hatte er gesagt, er würde »lieber eine Wüste regieren als ein Land voller Ketzer«.
»Es ist ungewöhnlich, solche Worte aus dem Mund eines Katholiken zu hören. Ihr seid doch Katholik?« Die Hafnerin musterte Bedrich interessiert. »Sonst sind die Habsburgtreuen immer Feuer und Flamme, wenn es darum geht, uns unsere Rechte wegzunehmen.«
»Nur weil ich Katholik bin, heißt das nicht, dass ich es gut finde, was Ferdinand macht. Ich will niemanden zu seinem Glauben zwingen und niemandem seine zugesicherten Rechte wegnehmen. Prag ist groß genug für Katholiken und Protestanten gleichermaßen. Und ich fürchte, Ferdinand unterschätzt den Zorn der Protestanten.« Bedrichs breite Stirn legte sich in Falten. Sein rabenschwarzes Haar fiel ihm in die dunkelbraunen Augen, und er strich es hinter sein rechtes Ohr, wo es aber nur kurz blieb. »Wenn es so weitergeht, werden wir bald einen Aufstand haben.«
»So schlimm wird es schon nicht kommen«, beschwichtigte die Hafnerin. »Das habe ich auch der Kesselflickerin gesagt. Sie soll ihr Geld lieber für Medizin für ihren Mann ausgeben, anstatt übers Umsiedeln nachzudenken. Was hilft ihr ein Haus im Katholikenviertel, wenn ihr Mann tot ist?«
»Sie will tatsächlich wegziehen?«
»Angeblich sind die Anfeindungen so schlimm. Aber ich glaube es nicht, und Ihr habt ja selbst gerade gesehen, was die Medizin kostet. Sie ist zudem noch in Geldnöten und deshalb so verärgert.«
»Sie kauft Medizin, die nichts nützen wird«, sagte Jana bitter.
Die Hafnerin zuckte mit den Schultern. »Der Glaube kann Berge versetzen. Solange der Kesselflicker daran glaubt, dass er davon gesund wird, stirbt er zumindest nicht.«
Ein zustimmender Ton entrang sich Bedrichs Brust. Er bedachte Jana mit einem sehnsuchtsvollen Blick: »Ja, man darf die Hoffnung niemals aufgeben.« Es war offensichtlich, dass er damit nicht die Gesundheit des Kesselflickers meinte.
Aber Jana war in Gedanken immer noch bei der teuren Medizin und ärgerte sich über den Arzt, der sie verschrieben hatte. Ob Radomila einen Mediziner bei sich aufnehmen wollte, damit er kostspielige Rezepte ausstellte? Ihr Zorn wuchs.
»Eure Salbe ist übrigens die beste der Stadt«, sagte die Hafnerin, als sie den Tiegel entgegennahm und ein paar kleine Münzen über den Tresen schob. »Ohne sie wären meine Hände schon längst so rau wie zwei Reibeisen. Das ewige Wasser schadet der Haut.«
»Es freut mich, dass Ihr zufrieden seid«, sagte Jana in der Hoffnung, überzeugend zu klingen. Ihr Interesse galt dem Fremden, der immer noch die Lurche ihres Onkels bestaunte. Ob das der Doktor aus Wien war? Sein schäbiger Mantel sah aus wie der eines Hausierers und ganz sicher nicht wie die Kleidung eines ehrwürdigen Arztes.
Die Hafnerin war eine geschwätzige Frau, sie fand noch mehr lobende Worte, bevor sie sich endlich verabschiedete und die Apotheke verließ. Dabei trat wieder jemand ein, und Jana atmete erleichtert auf, als sie Pavlinas leicht gerötetes Gesicht erkannte. Das Mädchen war außer Atem, so als wäre es gerannt.
»Wo warst du so lang?«, fragte Jana vorwurfsvoll.
»Der Weg war weit.« Das Mädchen schlug die Augen nieder, und Jana bemerkte in ihren Mundwinkeln Reste von Powidel. Sie schimpfte
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