Das sündige Viertel
Tod wie das Aufhängen vorzog. Das ist schon alles!«
Emma Eduardownas dichte Brauen hoben sich, ihre Augen weiteten sich fröhlich, und über ihre Nilpferdwangen breitete sich ein ehrliches, ungekünsteltes Lächeln aus. Sie streckte Tamara beide Hände entgegen.
»Und weiter nichts? Oh, mein Kind!* Und ich dachte … weiß der Himmel, was mir vorgeschwebt hat! Reichen Sie mir Ihre Hände, Tamara, Ihre lieben weißen Händchen, und gestatten Sie, daß ich sie auf mein Herz* drücke und Sie küsse.«
Der Kuß währte so lange, daß Tamara, angewidert, sich nur mit Mühe aus Emma Eduardownas Umarmung befreien konnte.
»So, und nun zur Sache. Dies sind meine Bedingungen: Sie werden Verwalterin, ich gebe Ihnen fünfzehn Prozent vom Reingewinn. Wissen Sie das zu würdigen, Tamara: fünfzehn Prozent. Außerdem ein kleines Gehalt – dreißig, vierzig, nun, meinetwegen fünfzig Rubel monatlich. Hervorragende Bedingungen, nicht wahr? Ich bin zutiefst überzeugt, daß kein anderer als eben Sie mir helfen werden, das Haus auf die Höhe zu bringen und es zum elegantesten nicht nur in unserer Stadt, sondern in ganz Südrußland zu machen. Sie haben Geschmack und verstehen etwas von den Dingen! Außerdem gelingt es Ihnen stets, auch den anspruchsvollsten und hartnäckigsten Gast für sich einzunehmen. In seltenen Fällen, wenn ein sehr reicher und angesehener Herr – bei uns heißt es: ein ›Freier‹ – sich für Sie interessiert – Sie sind ja so schön, Tamarotschka« (die Chefin sah sie aus trüben, feuchten Augen an) –, »dann werde ich Ihnen durchaus nicht verbieten, mit ihm angenehme Stunden zu verbringen, nur müssen Sie stets darauf bestehen, daß Sie nicht das Recht haben, in Ihrer Position und so weiter und so weiter … Aber sagen Sie bitte*, fällt es Ihnen leicht, sich deutsch zu verständigen?«
»Die deutsche Sprache beherrsche ich in geringerem Grade als die französische; indes kann ich stets bei einer Salonplauderei mithalten.«
»Oh, wunderbar! Sie haben eine entzückende Rigaer Aussprache, die beste aller deutschen Aussprachen. Nun also – fahren wir in meiner Sprache fort. Sie klingt viel süßer meinem Ohr, die Muttersprache. Schön?«
»Schön.«
»Am Ende werden Sie nachgeben, dem Anschein nach ungern, unwillkürlich, von der Laune des Augenblicks hingerissen, und – was die Hauptsache ist – heimlich, ohne mein Wissen. Sie verstehen? Dafür zahlen Narren ein schweres Geld. Übrigens brauche ich Sie wohl nicht zu belehren.«
»Ja, gnädige Frau. Sie sprechen gar kluge Dinge. Doch das ist schon keine Plauderei mehr, sondern eine ernste Unterhaltung …* Und deshalb wäre es mir lieber, Sie sprächen wieder russisch. Ich bin bereit, Sie anzuhören.«
»Also weiter! Ich sprach soeben über einen Liebhaber. Ich wage nicht, Ihnen dieses Vergnügen zu verbieten, doch wir wollen vernünftig sein: Er soll nicht hierherkommen, oder doch wenigstens möglichst selten. Ich gebe Ihnen Ausgangstage, an denen sind Sie vollkommen frei. Besser wäre allerdings, sie kämen ganz ohne ihn aus. Das wäre doch zu Ihrem Nutzen. Denn so etwas ist nur Bremse und Joch. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Warten Sie nur ab, in drei, vier Jahren haben wir das Geschäft so erweitert, daß Sie schon ein solides Vermögen besitzen, und dann mache ich Sie zur gleichberechtigten Teilhaberin. In zehn Jahren sind Sie noch jung und schön, und dann werden Sie sich Männer nehmen und kaufen, soviel Sie wollen. Bis dahin haben Sie sich die romantischen Dummheiten endgültig aus dem Kopf geschlagen, und dann wird man nicht mehr Sie wählen, sondern Sie selbst werden wählen, mit Verstand und Geschmack, wie ein Kenner Edelsteine aussucht. Stimmen Sie mir zu?«
Tamara senkte den Blick und lächelte kaum merklich.
»Sie sprechen goldene Wahrheiten aus, Emma Eduardowna. Ich werde meinen Freund aufgeben, aber nicht von heute auf morgen. Dazu brauche ich etwa zwei Wochen. Ich will versuchen, daß er nicht mehr herkommt. Ich nehme Ihr Angebot an.«
»Wunderbar!« sagte Emma Eduardowna und erhob sich. »Nun besiegeln wir unseren Vertrag mit einem schönen, süßen Kuß.«
Und abermals umarmte sie Tamara und küßte sie saugend. Tamara, mit ihren gesenkten Augen und dem naiven, lieben Gesicht, wirkte jetzt ganz wie ein kleines Mädchen. Doch als sie sich endlich von der Chefin frei gemacht hatte, sagte sie auf russisch: »Sie sehen, Emma Eduardowna, daß ich Ihnen in allem zustimme, doch dafür bitte ich Sie, mir einen Wunsch zu
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