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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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gegangen. Er hat mir die Ehe versprochen, der Schuft, und dann, als er erreicht hatte, was er wollte, hat er mich sitzenlassen.«
    »Und hast du dich geschämt beim erstenmal?«
    »Freilich hab ich mich geschämt … Wie ist es, Papachen, möchtest du mit Licht oder ohne? Ich blende die Lampe ein bißchen ab. Gut so?«
    »Sag mal, möchtest du nicht wieder von hier weg? Wie heißt du?«
    »Manja. Klar möchte ich weg. Was ist das für ein Leben!«
    Der Deutsche küßte sie herzhaft auf den Mund und fragte weiter: »Liebst du die Männer? Gibt es welche, die dir angenehm sind? Die dir Vergnügen bereiten?«
    »Warum soll es die nicht geben«, lachte Manja. »Besonders liebe ich solche wie dich, so sympathische Dicke.«
    »Solche liebst du? Ja? Warum?«
    »Eben so. Du bist auch sympathisch.«
    Der Deutsche überlegte eine Weile, nachdenklich von seinem Bier trinkend. Dann sagte er das, was fast jeder Mann zu einer Prostituierten in den Minuten sagt, die dem zufälligen Besitz ihres Körpers vorausgehen: »Weißt du, Mariechen, du gefällst mir auch sehr gut. Ich würde dich gern zu mir nehmen und für dich sorgen.«
    »Sie sind aber verheiratet«, widersprach sie und berührte seinen Ring.
    »Ja, aber weißt du, ich lebe nicht mit meiner Frau, sie ist krank, sie kann ihren ehelichen Pflichten nicht nachkommen.«
    »Die Arme! Wenn sie wüßte, wohin du gehst, Papachen, würde sie sicherlich weinen.«
    »Lassen wir das. Weißt du, Marie, ich suche schon immer nach so einem Mädchen wie du, so einem bescheidenen und hübschen. Ich bin nicht arm, ich würde für dich eine Wohnung mieten, mit Essen, Heizung und Licht. Und vierzig Rubel monatlich als Nadelgeld. Würdest du kommen?«
    »Warum nicht, ich würde schon.«
    Er küßte sie saugend, doch plötzlich huschte eine heimliche Befürchtung durch sein feiges Herz.
    »Bist du auch gesund?« fragte er feindselig mit zitternder Stimme.
    »Aber ja doch, ich bin gesund. Wir werden jeden Sonnabend vom Arzt untersucht.«
    Fünf Minuten später verließ sie ihn; im Gehen steckte sie in ihren Strumpf das verdiente Geld, auf das sie, einem abergläubischen Brauch folgend, vorsorglich gespuckt hatte, weil es der Grundstock dieses Abends war. Weder von Unterhalt noch von Sympathie war mehr die Rede gewesen. Der Deutsche war unzufrieden mit Mankas kühlem Verhalten, und er hatte befohlen, ihm die Verwalterin zu schicken.
    »Mamsellchen, Sie sollen zu meinem Mann kommen«, sagte Manja, als sie den Saal betrat, und richtete vor einem Spiegel ihre Frisur.
    Sossja ging, dann kam sie wieder und rief Pascha in den Korridor hinaus. Anschließend kehrte sie allein in den Saal zurück.
    »Was ist los, Kleine Manka, hast du es deinem Kavalier nicht recht gemacht?« fragte sie lachend. »Er beklagt sich über dich: Das ist keine Frau, sagt er, sondern ein Holzklotz, ein Eiszapfen. Ich habe ihm Pascha geschickt.«
    »Ach, so ein Ekel!« Manka verzog das Gesicht und spuckte aus. »Der redet und redet. Fragt mich: Spürst du was, wenn ich dich küsse? Spürst du eine angenehme Erregung? Der alte Köter. Aushalten will er mich, hat er gesagt.«
    »Das sagen sie alle«, bemerkte Soja gleichmütig.
    Shenja aber, die schon den ganzen Tag schlechter Laune war, explodierte plötzlich.
    »Ach der, so ein gemeiner Kerl, so ein unglückseliger Miesling!« rief sie aus, ganz rot im Gesicht und die Hände energisch in die Hüften stemmend. »Ich hätte ihn am Schlafittchen gepackt, das alte Ekel, hätte ihn zum Spiegel gezerrt und ihm seine widerwärtige Fratze gezeigt. Na? Findest du dich schön? Und wieviel besser wirst du erst aussehen, wenn dir der Speichel aus dem Mund tropft und wenn du die Augen verdrehst und anfängst zu röcheln und dich zu verschlucken und einer Frau ins Gesicht zu sabbern. Und du verlangst für deinen verdammten Rubel, daß ich vor dir hinschmelze und daß mir von deiner dreckigen Liebe die Augen übergehen? Ach, in die Fresse hauen müßte man ihm, dem Scheusal, in die Fresse! Bis er blutet!«
    »Oh, Shenja! Hör bloß auf! Pfui!« Die zimperliche Emma Eduardowna war über ihren rüden Ton pikiert.
    »Ich höre nicht auf!« gab sie scharf zurück. Sie verstummte aber doch und ging zornig weg, mit geblähten Nasenflügeln und mit einem Funkeln in den schönen Augen, die sich verdunkelt hatten.

7
    Allmählich füllte sich der Saal. Es kam auch der im ganzen Viertel seit langem bekannte Wanka Stehauf, ein großer, hagerer, weißhaariger Alter mit roter Nase, in Försteruniform und

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