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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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Schokolade. Er schaute finster drein, hinkte auf dem rechten Fuß und war bemüht, möglichst wenig aufzufallen: offenbar stand es derzeit schlecht um seine professionellen Angelegenheiten. Mit einer Kopfbewegung, im Gehen, winkte er Tamara aus dem Saal und führte sie in ihr Zimmer. Vorgefahren war auch der Schauspieler Egmont-Lawrezki, rasiert, hochgewachsen, mit seinem vulgären, frech-hochnäsigen Gesicht einem Lakaien ähnelnd.
    Die Kommis aus dem Feinkostgeschäft tanzten mit dem ganzen Elan ihrer Jugend und mit allem Anstand, den der Leitfaden für gutes Benehmen von Hermann Hoppe empfiehlt. In diesem Sinne paßten sich ihnen auch die Mädchen an. Hier wie da galt es als besonders anständig und vornehm, möglichst unbeweglich zu tanzen, mit herabhängenden Armen, hochgerecktem und leicht geneigtem Kopf und mit stolzer und zugleich müder und schlaffer Miene. In den Pausen zwischen den Tanzfiguren mußte man ein gelangweiltes und geringschätziges Gesicht aufsetzen und sich mit einem Tuch fächeln. Kurzum, sie alle taten so, als gehörten sie zur auserlesensten Gesellschaft und, wenn sie schon tanzten, als ließen sie sich nur zu einem kleinen Freundschaftsdienst herab. Aber dennoch tanzten sie so eifrig, daß den Kommis von Kereschkowski der Schweiß in Strömen floß.
    Es hatte schon zwei, drei Skandale in verschiedenen Häusern gegeben. Ein Mann, blutüberströmt, dessen Gesicht im blassen Schein der Mondsichel schwarz von Blut aussah, lief die Straße entlang, schimpfte und suchte, ohne im geringsten seiner Wunden zu achten, nach der beim Handgemenge verlorenen Mütze. In der Kleinen Kutschergasse hatten sich die Stabsschreiber mit einer Matrosenmannschaft geprügelt. Die erschöpften Pianisten und die anderen Musiker spielten wie im Fieber oder wie im Halbschlaf, gewohnheitsmäßig und mechanisch. Das war gegen Ende der Nacht.
    Da betraten völlig unerwartet Anna Markownas Etablissement sieben Studenten, ein Privatdozent und ein Lokalreporter.

8
    Sie alle, mit Ausnahme des Journalisten, hatten den ganzen Tag gemeinsam verbracht, vom frühen Morgen an, und zwar bei einem Frühlingsausflug mit Damen ihrer Bekanntschaft. Sie waren auf dem Dnepr Boot gefahren, hatten auf dem jenseitigen Flußufer in dichtem, herb duftendem Weidengehölz eine einfache Mahlzeit gekocht, hatten – Männer und Frauen nacheinander – im flinken warmen Wasser gebadet, selbstgemachten Gewürzlikör getrunken, klangvolle kleinrussische Lieder gesungen und waren erst spätabends in die Stadt zurückgekehrt, als der dunkle, breite Fluß gleichermaßen lustig wie unheimlich gegen die Bordwände ihrer Boote plätscherte und Sterne, tanzende Bojenlichter und flirrende silbrige Streifen von den elektrischen Straßenlaternen spielerisch spiegelte. Als sie das Ufer betraten, schmerzten allen die Hände vom Rudern, in Arm- und Beinmuskeln zog es angenehm, und im ganzen Körper verspürten sie wohlige, erquickende Müdigkeit.
    Dann begleiteten sie ihre Damen nach Hause und verabschiedeten sich von ihnen an Pforten und Haustüren lange und herzlich, unter Gelächter und mit solch weitausladendem Händeschütteln, als hantierten sie mit Pumpenschwengeln.
    Der ganze Tag war heiter und lebhaft verlaufen, sogar ein wenig lärmig und etwas strapaziös, aber jugendlich züchtig, ohne Trinkerei und, was besonders selten vorkommt, ohne den geringsten Schatten von Kränkung oder Eifersucht oder unausgesprochenen Verdrusses. Freilich hatte zu dieser guten Stimmung auch die Sonne beigetragen, ebenso der frische Wind vom Fluß, die lieblichen Düfte der Gräser und des Wassers, das gute Gefühl, beim Baden und Rudern Stärke und Geschicklichkeit des eigenen Körpers zu spüren, und nicht zuletzt der zügelnde Einfluß der klugen, freundlichen, reinen und hübschen Mädchen aus befreundeten Familien.
    Und doch, nahezu unabhängig von ihrem Bewußtsein hatten sich ihre Sinne – nicht ihre Phantasie, sondern ganz einfach die gesunde, instinktive Sinnlichkeit verspielter junger Männchen – entzündet durch die unvermutete Berührung der Frauenhände, durch die freundschaftlichen hilfreichen Umarmungen, wenn sie den Damen ins Boot einsteigen oder ans Ufer springen halfen, entzündet am sanften Duft der sonnenwarmen Mädchenkleider, an den kokett-erschrockenen Schreien auf dem Fluß, am Anblick der weiblichen Gestalten, die mit naiver Unbescheidenheit lässig im grünen Gras rund um den Samowar lagerten, an all diesen unschuldigen Freiheiten, die so

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