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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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ihren Liebsten sich günstig gestalten würden. Danach war es eine Kleinigkeit, sie zu überreden, daß sie in einem Bordell untertauchte, wo sie völlig sicher sei vor Polizei und Detektiven. Eines Morgens wies Horizont sie an, sich schön zu kleiden, ihr Haar zu locken, sich zu pudern, ein wenig Rouge auf die Wangen zu legen, und er brachte sie in die Lasterhöhle zu seiner Bekannten. Das Mädchen machte dort einen guten Eindruck, und am selben Tage noch wurde ihr Ausweis bei der Polizei gegen die sogenannte gelbe Karte umgetauscht. Als Horizont sich nach langen Umarmungen und vielen Tränen von ihr verabschiedet hatte, ging er ins Zimmer der Chefin und empfing die Bezahlung – fünfzig Rubel (obwohl er zweihundert verlangt hatte). Aber der niedrige Preis kümmerte ihn wenig; die Hauptsache war, daß er endlich sich selbst, seine Berufung gefunden und den Grundstein für sein künftiges Wohlergehen gelegt hatte.
    Selbstverständlich blieb die verkaufte Frau für immer in den Klauen des Bordells. Horizont vergaß sie so gründlich, daß er sich schon ein Jahr später nicht mehr an ihr Gesicht erinnerte. Jedoch, wer weiß … vielleicht spielte er sich das selbst nur vor?
    Jetzt war er einer der wichtigsten Frauenhändler in ganz Südrußland. Er hatte Verbindungen mit Konstantinopel und mit Argentinien, er transportierte ganze Lieferungen von Mädchen aus Odessaer Bordellen nach Kiew, andere von Kiew nach Charkow und von Charkow, nach Odessa. Er verteilte auch Ausschußware oder solche, deren die großen Städte überdrüssig waren, auf verschiedene zweitrangige Gouvernementsstädte und auf weniger ärmliche Kreisstädte. Er hatte sich einen großen Kundenkreis geschaffen, und zu seinen Verbrauchern konnte Horizont eine ganze Menge Leute in exponierter gesellschaftlicher Position zählen: Vizegouverneure, Gendarmerie-Obersten, angesehene Advokaten, bekannte Ärzte, reiche Gutsbesitzer, prassende Kaufleute. Die gesamte Unterwelt – die Welt der Puffmütter, Kokotten, Kupplerinnen, der Besitzerinnen von Absteigequartieren, der Zuhälter, die Welt arbeitsloser Schauspielerinnen und Choristinnen – war ihm vertraut wie einem Astronomen der Sternenhimmel. In seinem erstaunlichen Gedächtnis, das ihm erlaubte, wohlweislich auf Notizbücher zu verzichten, waren Tausende Vor- und Familiennamen, Spitznamen, Adressen und Charakteristiken gespeichert. Aus dem Effeff kannte er die Geschmäcker all seiner hochgestellten Konsumenten: Die einen bevorzugten ausgesuchte Raffinesse und Abnormität, die anderen zahlten Wahnsinnspreise für unschuldige Mädchen, für die dritten mußten Minderjährige beschafft werden. Er hatte sowohl sadistische als auch masochistische Neigungen seiner Kunden zu befriedigen und manchmal auch ganz widernatürliche sexuelle Perversionen zu bedienen, obwohl man sagen muß, daß er letzteres nur in seltenen Fällen tat, wenn es großen Gewinn versprach. Zwei-, dreimal hatte er im Gefängnis sitzen müssen, doch auch das war ihm gut bekommen: er hatte sich nicht nur seine unverschämte Dreistigkeit und elastische Energie bewahrt, sondern war von Jahr zu Jahr kühner, findiger und unternehmungslustiger geworden. Mit den Jahren wurde seine freche Zielstrebigkeit durch eine gewaltige Lebens- und Geschäftserfahrung ergänzt.
    Etwa fünfzehnmal während dieser Zeit hatte er geheiratet und immer eine ordentliche Mitgift ergattert. Sobald er über das Geld der jeweiligen Gattin verfügte, verschwand er eines schönen Tages spurlos, und wenn sich die Möglichkeit bot, verkaufte er seine Frau günstig an ein illegales Haus der Unzucht oder an ein elegantes öffentliches Etablissement. Es kam vor, daß die Eltern des betrogenen Opfers ihn durch die Polizei suchen ließen. Doch während man überall nach einem Mann namens Sperling fahndete, reiste er schon unter dem Namen Rosenblüm von Stadt zu Stadt. Während seiner Tätigkeit hatte er so oft den Namen gewechselt, daß er, trotz seines beneidenswerten Gedächtnisses, nicht nur vergessen hatte, in welchem Jahr er Nathanaelson, in welchem Bakaljar gewesen war, sondern daß ihm auch sein eigener Name allmählich wie ein Pseudonym vorkam.
    Bemerkenswerterweise fand er an seinem Beruf nichts Verbrecherisches oder Verwerfliches. Sein Verhältnis dazu war nicht anders, als würde er mit Heringen handeln oder mit Kalk, Mehl, Rindfleisch oder Holz. Auf seine Art war er gläubig. Wenn es seine Zeit erlaubte, besuchte er freitags eifrig die Synagoge. Jom Kippur, Pessach

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