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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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neue Art von Unzucht, in der ich mich einfach nicht auskenne …«
    Horizont schlug die Augen nieder, rieb sich den Kopf und sagte: »Sehen Sie, ich habe da eine Gattin … Sie haben es fast erraten.«
    »Aha. Aber wieso fast?«
    »Es ist mir peinlich, zu gestehen, daß sie … wie soll ich sagen … sie ist meine Braut …«
    Die Barsukowa brach in fröhliches Lachen aus.
    »Wissen Sie, Horizont, ich hätte nie erwartet, daß Sie so ein Ekel sind! Geben Sie Ihre Frau her, ganz egal. Und Sie haben sich wahrhaftig zurückgehalten?«
    »Tausend?« fragte Horizont ernst.
    »Ach was! Feilschen wir nicht lange: tausend, einverstanden. Aber sagen Sie, werde ich mit ihr zu Rande kommen?«
    »Wenn's weiter nichts ist!« sagte Horizont selbstsicher. »Sie sind wieder meine Tante, und ich überlasse meine Frau Ihrer Obhut. Sie müssen sich vorstellen, Madame Barsukowa, diese Frau ist in mich verliebt wie eine Katze. Und wenn Sie ihr sagen, daß sie für mein Wohlergehen dies und jenes tun muß, dann gibt es keine Widerrede!«
    Nun war ihnen wohl der Gesprächsstoff ausgegangen. Madame Barsukowa füllte einen Wechsel aus, mühsam schrieb sie ihren Namen, Vatersnamen und Familiennamen. Der Wechsel war natürlich phantastisch, aber es gibt eben Solidarität und Gaunergewissen. Bei solchen Geschäften betrügt man nicht. Sonst droht einem der Tod: im Gefängnis, auf der Straße oder im Bordell.
    Anschließend erschien sofort, wie ein Deus ex machina, ihr Herzensfreund, der junge Pole mit hochgezwirbeltem Schnurrbart, der Kaffeehausbesitzer. Sie tranken Wein, sprachen über die Messe, über die Ausstellung, klagten ein wenig über schlechte Geschäfte. Schließlich telefonierte Horizont mit seinem Hotel und bestellte seine Frau her. Er machte sie mit der Tante und mit deren Cousin bekannt und sagte, daß vertrauliche politische Angelegenheiten ihn aus der Stadt abberiefen. Zärtlich umarmte er Sara, vergoß ein paar Tränen und fuhr davon.

5
    Mit der Ankunft des Horizont (übrigens, der Himmel weiß, wie er hieß: Gogolewitsch, Gidalewitsch, Okunew oder Rosmitalski), kurzum, mit der Ankunft dieses Menschen änderte sich auch in der Kutschergasse alles. Es wurden gewaltige Umsetzungen vorgenommen. Von Tröppel brachte man Mädchen zu Anna Markowna, von Anna Markowna in ein Einrubeletablissement und von da in ein Fünfzigkopekenbordell. Aufstieg gab es nicht, nur Degradierungen. An jeder Umsetzung verdiente Horizont zwischen fünf und hundert Rubel. Er verfügte wahrhaftig über eine Energie, die annähernd dem Imatra-Wasserfall gleichkam. Als er einmal tagsüber bei Anna Markowna saß, sagte er, vom Zigarettenrauch blinzelnd und mit dem übergeschlagenen Bein wippend: »Die Frage ist – wozu brauchen Sie diese Sonka? Sie gehört nicht in ein ordentliches Etablissement. Wenn wir sie umsetzen, dann verdienen Sie hundert Rubel daran und ich fünfundzwanzig. Sagen Sie mir ehrlich: Sie ist doch nicht gefragt?«
    »Ach, Herr Schazki! Sie erreichen immer alles. Aber stellen Sie sich vor, sie tut mir leid. So ein empfindliches Mädchen ..
    Horizont überlegte einen Moment. Er suchte nach einem passenden Zitat, und plötzlich sagte er: »Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden! Und ich bin überzeugt, Madame Schäubes, daß sie keineswegs gefragt ist.«
    Issai Sawwitsch, der kleine, kränkliche, schüchterne Alte, der aber in entscheidenden Augenblicken sehr energisch sein konnte, unterstützte Horizont: »Das ist ganz einfach. Sie ist wirklich gar nicht gefragt. Bedenke doch, Anetschka, fünfzig Rubel kosten ihre Siebensachen, fünfundzwanzig Rubel bekommt der Herr Schazki, und fünfzig bleiben uns. Und Gott sei Dank, daß wir sie los sind! Dann kann sie wenigstens nicht unser Etablissement kompromittieren.«
    Auf diese Weise gelangte Sonka Ruderblatt, die Einrubeletablissements überspringend, in ein Fünfzigkopekenbordell, wo alles mögliche Gesindel sich nächtelang an den Mädchen verging. Dort brauchte man eine robuste Gesundheit und viel Nervenkraft. Eines Nachts erbebte Sonka vor Grauen, als Fjokla, ein Weib von ungefähr sechs Pud Gewicht, auf den Hof hinausschlüpfte, um ihre Notdurft zu verrichten, und der vorübergehenden Verwalterin zurief: »Verwalterin! Hören Sie: der sechsunddreißigste! Vergessen Sie's nicht!«
    Zum Glück wurde Sonka selten behelligt: sogar für dieses Bordell war sie nicht hübsch genug. Niemand nahm Notiz von ihren wunderschönen Augen, und die Wahl fiel nur dann auf sie, wenn keine andere

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